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1. Juli 2024
Redaktion
Fachkräftesicherung

Nearshoring als strategische Entscheidung

In der Gesundheitsbranche gewinnt Nearshoring als Optimierungsmaßnahme zunehmend an Bedeutung: Diese Praxis ermöglicht es Hilfsmittel-Leistungserbringern, Geschäftsprozesse in nahegelegene Länder auszulagern, um vom dortigen Fachkräfteangebot zu profitieren. Doch was ist dabei zu beachten, wenn man keine Abstriche bei der Qualität machen möchte?
Foto: awesomecontent/Freepik
Gut umgesetztes Nearshoring ist eine Win-win-Situation.

Vor Dienstbeginn noch schnell etwas Schreibtischarbeit vom Vortag erledigen. Das Telefon klingelt schon, ein dringendes Patientenanliegen wartet. Und dann kommt noch eine Krankmeldung – obwohl das Team ohnehin unterbesetzt ist. Solche Szenen spielen sich täglich an den Arbeitsplätzen der Sonstigen Leistungserbringer ab.

Großer Druck besteht bekanntlich bereits seit Jahren: Die Konkurrenz um Fachkräfte ist groß, die Möglichkeit, wettbewerbsfähige Gehälter anzubieten, angesichts der angespannten wirtschaftlichen Lage begrenzt. Die Suche nach dem dringend benötigten Personal dauert an, Aufgaben türmen sich. Abrechnungsfristen laufen aus und manche Erlöse getaner Arbeit lassen sich nicht mehr geltend machen. Schlimmstenfalls gehen spürbare Umsätze verloren – ein Teufelskreis.

Personalengpässe als Folge einer komplexen Gemengelage

Ein weiterer Umstand, der dazu beiträgt, dass das Tagesgeschäft auf der Strecke bleibt, ist die an Dynamik gewinnende Digitalisierung des Gesundheitswesens. In diesem Kontext sind Leistungserbringer vermehrt damit beschäftigt, effizienzsteigernde Projekte zu verwirklichen – wie beispielsweise die Einführung von innovativer Branchensoftware, Schrifterkennungsprogrammen oder die digitale Anbindung von Marktpartnern sowie des Außendienstes. Das für die Umsetzung benötigte Personal fehlt im Unternehmen aber oft an anderer Stelle.

Hier kommt eine weitere zunehmend beliebte Möglichkeit ins Spiel: das Outsourcing etwa der In- und Outbound-Telefonie und bestimmter administrativer Aufgaben. Dank einer durch diese Maßnahmen stabilisierten Personalsituation kann sich das Unternehmen wieder ganz seinen Kernkompetenzen widmen. Insbesondere auch das sogenannte Nearshoring rückt in dem Zusammenhang als kosteneffiziente Option in den Fokus. Gemeint ist damit die Auslagerung von Geschäftsprozessen ins nähere Ausland.

Was ist mit der Sprachbarriere?

Gut umgesetztes Nearshoring ist eine Win-win-Situation. Die Dienstleistung sichert personelle Kapazitäten bei hoher Leistungsqualität und kann je nach Anbieter und Projekt sogar eine Kostenerleichterung bedeuten. Arbeitskräften aus nahegelegenen Ländern mit geringerer Kaufkraft bieten sich im Gegenzug attraktive Beschäftigungsmöglichkeiten.

Eine Anstellung in der Gesundheitsbranche für den deutschen Markt erfordert interkulturelle Kompetenzen und markiert für viele junge Menschen den Beginn einer Karriere. Nachvollziehbarerweise fragen sich Leistungserbringer jedoch zunächst oft: Funktioniert das angesichts der sprachlichen Unterschiede – in dieser Branche, in der Missverständnisse nicht nur irritierend, sondern auch folgenreich sein können?

Inzwischen kann mit Gewissheit gesagt werden, dass sich die Rekrutierung qualifizierter Fachkräfte im Ausland leichter gestaltet, als weithin vermutet. Der Kandidatenpool geeigneten und motivierten Personals im näheren Ausland ist groß: Deutschland blickt auf eine lange Tradition als Einwanderungsland zurück, zahlreiche Menschen aus süd-, ost- und südosteuropäischen Ländern sowie der Türkei haben aufgrund ihrer Familiengeschichte oder eigener Erfahrungen Verbindungen zur deutschen Kultur und beherrschen die Sprache vollumfänglich. Zusätzlich verfügen sie oft über einen Studienabschluss oder eine Ausbildung.

Und auch viele Deutsche lassen sich inzwischen als „digitale Nomaden“ in den Metropolen sonniger oder für sie kulturell interessanter Länder mit niedrigeren Lebenshaltungskosten nieder. Von dort aus arbeiten sie für deutsche Unternehmen.

Und wer verantwortet den Datenschutz?

Ein weiteres Thema, das Fragen aufwirft, ist der Datenschutz. Gesundheitsdaten sind äußerst sensible Informationen, die der Gesetzgeber zu Recht als besonders schützenswert einstuft. Die Einhaltung der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) stellt somit eine der zwar gut lösbaren, aber durchaus komplexen Aufgaben beim Nearshoring dar.

Da bisher nur wenig Rechtsprechung zu dem strengen und noch recht jungen Gesetz aus dem Jahr 2018 existiert, ist es ratsam, stets den sichersten Weg zu wählen und dabei aktuellste Entwicklungen zu berücksichtigen. Dreh- und Angelpunkt in diesem Zusammenhang und für alle weiteren Belange einer Near­shoring-Partnerschaft ist die Rolle eines erfahrenen und zuverlässigen Dienstleisters. Vor Vertragsabschluss sollten somit einige zentrale Punkte genau auf den Prüfstand gestellt werden.

Den richtigen Partner wählen

Worauf sollten Leistungserbringer bei der Wahl eines Nearshoring-Partners achten?

  • Seriöse Dienstleister wählen ihre Mitarbeiter sorgfältig aus: Infrage kommt nur Personal, das über ausgezeichnete Sprachkenntnisse verfügt und kulturell sensibel ist. Kunden sollten die Möglichkeit haben, sich persönlich von der Eignung zu überzeugen und gegebenenfalls ein Veto einzulegen.
  • Auch bezüglich der Arbeitsqualität ist Transparenz das A und O: Niedrigschwellige Maßnahmen ermöglichen den Kunden, die vorab klar definierten, ausgelagerten Prozesse jederzeit zu kontrollieren.
  • Ihr Nearshoring-Vertragspartner hat seinen Firmensitz in Deutschland und ist damit klar an deutsches Recht gebunden und darüber hinaus niedrigschwellig für Sie erreichbar.
  • Der Dienstleister verfügt über fundierte Kenntnisse der Rechtslage des Nearshoring-Landes und ist mit den örtlichen Gegebenheiten sowie kulturellen Besonderheiten vertraut. Bestenfalls blickt er bereits auf mehrjährige Erfahrungen mit Niederlassungen im Ausland zurück.
  • Sowohl in der EU als auch außerhalb davon: Eklatant wichtig ist DSGVO-konformer Datenschutz. Ihr Nearshoring-Dienstleister behält rechtliche Entwicklungen immer im Blick und verantwortet die erforderlichen Maßnahmen.
  • Datenschutzbeauftragte werden von Beginn an stets in alle Prozesse miteinbezogen, denn sie kennen die damit verbundenen unternehmensinternen Erfordernisse und Spezifika am besten.
  • Mitarbeiter des Dienstleisters werden regelmäßig und umfassend bezüglich IT-Sicherheit und DSGVO-konformen Datenschutzes geschult. Die daraus resultierenden Kenntnisse lassen sich über Zertifikate kontrollieren.
  • Zudem sollte es dem Dienstleister möglich sein, bei etwaig auftretenden Problemen (etwa durch höhere Gewalt) den Standort schnell umzuziehen, um die Kontinuität der Dienstleistung zu gewährleisten. Idealerweise hat er also nicht nur einen einzigen Standort im benachbarten Ausland, sondern ist diesbezüglich breit aufgestellt.

Wenn diese Kriterien positiv beurteilt werden können, bedeutet Nearshoring für sonstige Leistungserbringer eine große Entlastung. Dank entledigter administrativer Aufgaben können sie sich wieder dem eigentlichen Mittelpunkt ihres Geschäfts widmen – der individuellen Patientenbetreuung.

Foto: Relivo
Wende Wilke ist Geschäftsführerin der 2019 von ihr gegründeten RELIVO GmbH und blickt auf über 20 Jahre Erfahrung im Gesundheitswesen zurück. Das Unternehmen mit Sitz in Ravensburg unterstützt Leistungserbringer durch Übernahme von Geschäftsprozessen, wie Vertriebsinnendienstleistungen sowie In- und Outbound-Telefonie. Die Services werden aus Deutschland oder dem näheren Ausland erbracht – in deutscher Sprache und unter vollständiger Berücksichtigung der Datenschutzanforderungen. RELIVO ist Teil der IMPRIVO Group GmbH und agiert in Zusammenarbeit mit der Trenkwalder-Gruppe, die in 16 Ländern Personaldienstleistungen anbietet.

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Foto: Karolina Grabowska/Pixabay
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