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26. April 2021
Redaktion
Benannte Stellen / Audits

MDR-Ampel steht auf Gelb

Die MDR-Ampel steht auf Gelb. Doch warten wirklich alle Marktbeteiligten, bis sie mit der europäischen Medical Device Regulation Ende Mai endlich durchstarten können? Davor gilt es vor allem eine Hürde zu überwinden: die sogenannten Audits. Wie Hersteller diese Prüfungen durch die Benannten Stellen erfolgreich bestehen können, stand im Fokus eines Symposiums des Branchennetzwerks MedicalMountains aus dem Raum Tuttlingen. Mehr als 100 Teilnehmer aus dem Bundesgebiet schalteten sich im Februar bei dem Online-Forum zu.

Durch die Verschiebung der Umset­zungsfrist um ein Jahr auf den 26. Mai 2021 war in der Branche zunächst viel Erleichterung spürbar. Doch die Probleme wurden nur aufgeschoben und teilweise stehe der Markt noch da, wo er 2017 war, als die MDR in Kraft getreten ist. Dr. Bassil Akra kennt die MDR und den Markt seit Jahren, u. a. aus seiner Tätigkeit beim TÜV Süd. Von der Benannten Stelle ist er als Geschäftsführer zum Bera­tungs­unternehmen Qunique GmbH mit Standorten in der Schweiz und Deutsch­land gewechselt.

Der benannte Flaschenhals

Und eben der Faktor der Benannten Stellen werde sich zum Flaschenhals in Sachen Umsetzung der MDR entwickeln. Sind für die Vorgänger-Vorschriften MDD noch über 50 Stellen benannt, wurden bis Mitte Februar gerade 19 für die MDR akkre­ditiert. Spezialgebiete, wie z. B. Implantate, decken nur Einzelne ab. Verschoben wurden infolge der Pan­demie nicht nur die MDR-Frist um ein Jahr, sondern auch die fälligen Audits bei den Herstellern. Aufgrund von Kontakt- und Reisebeschränkungen konnten viele Benannte Stellen ihre Aufgaben nicht wahrnehmen. Und teilweise ist das auch heute noch so, weil zwar die Mitarbeiter inländischer Stellen zu den Herstellern reisen können, aber nicht die aus dem Ausland.

Ein Teil der gut 100 Teilnehmer des Symposiums. Screenshot: MedicalMountains

Fernaudits ermöglichen

Und von der EU ermöglichte Fernaudits seien eben nicht in allen Staaten erlaubt. So sollte die deutsche Regierung hierzu den Weg freimachen. Benannte Stellen seien bereit, dieses Verfahren anzuwenden, wenn es umsetzbar und praktikabel sei. Es könnte auf jeden Fall deren Arbeit erleichtern. Details sollten die Hersteller auch mit ihren Aufsichtsbehörden und Benannten Stellen klären.

MDD und MDR parallel

Außerdem laufen bei den Benannten Stellen derzeit die Zertifizierungen nach MDD und MDR gleichzeitig, was die Kapa­zitäten weiter begrenzt, so Dr. Akra. Weil viele Stellen noch keinen Antrag für eine Akkreditierung nach MDR gestellt haben, sollten die Hersteller bei ihren Benannten Stellen nachfragen, ob sie auch für die MDR tätig sein werden. Hersteller können bis Mai 2024 zudem gültige Zertifikate nach MDD als auch nach MDR haben. Aber auch wenn ein Unternehmen noch ein gültiges MDD-Zertifikat besitzt, müsse es die MDR-Vorgaben für die Marktüberwachung befolgen.

Engpass bei der EU

Eine weitere Engstelle machte der Referent auch bei der EU-Kommission aus. So suche auch die EU nach Spezia­listen für eine für die MDR zuständige Expertengruppe, die im April/Mai ihre Arbeit aufnehmen könnte. Auch vonseiten der EU müssten in den nächsten drei Jahren zahlreiche Arbeiten erledigt werden. So gebe es mittlerweile zwar viele sog. Guidance-Papiere, aller­dings ließen diese immer noch einen großen Interpretationsspielraum, so Dr. Akra. Außerdem fehlten noch viele Informationen vonseiten der EU für die Marktteilnehmer und Benannten Stel­len. Daten für die jeweiligen Ver­öf­fent­lichungen würden regelmäßig ver­schoben, z. B. zu den harmonisierten Stan­dards.

Eile ist geboten

„Bitte warten“ beschreibt die Situation treffend. Allerdings sollten die Her­steller nicht länger zuwarten und die Hände in den Schoß legen, bis die Papiere alle vollständig vorhanden sind. Entsprechend sollten nach Rücksprache mit den Benannten Stellen die internen Abläufe und Dokumentationen nach den aktuellen Kenntnisständen vorbereitet werden, etwa indem geklärt wird, welche Aspekte der Technischen Dokumentation (TD) für eine fokussierte Prüfung herangezogen werden.

Dies betreffe auch die noch nicht vorhandenen EMDN-Codes, entsprechend einer noch nicht veröffentlichten europäischen Nomenklatur für die Produkte. Gleichzeitig sollten die Hersteller verfolgen, was es vonseiten der Kommission Neues gibt. Dr. Akras dringender Appell an die Hersteller: „Verlieren Sie keine Zeit!“

Julia Steckeler und Meinrad Kempf moderierten aus dem Studio heraus.

Fehler vermeiden

Die Sicht der Benannten Stellen brachten Tobias Hensler von der MDC Medical Device Certification GmbH und Dr. Max Singh von der TÜV Süd Product Service GmbH ein. Ihre Berichte aus der Praxis waren bei der Tagung mit dem plakativen Ziel und Wunsch zugleich verbunden: „MDR bestehen“. Den beiden Referenten ging es darum, Herstellern Tipps für die Vermeidung von Fehlern zu geben.

Hensler stellte MDC als akkreditierten Zertifizierer für QM-Systeme und Benannte Stelle nach MDR, MDD und IVDD vor.