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Foto: Tim Reckmann/Pixelio
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Einkauf mit Optimierungspotenzial
Dem Einkauf und der Logistik als Erfolgsfaktor in der erweiterten Wertschöpfungskette bei Klinik und ambulanter Versorgung widmete sich Janis Gadanac, Geschäftsführer Einkauf und Versorgung bei den Asklepios-Kliniken Hamburg. Einleitend stellte Gadanac mittels Zahlenanalysen dar, dass die Krankenhaus-Kosten in Deutschland je Einwohner im internationalen Vergleich vergleichsweise gering sind. Gleichzeitig deuten überdurchschnittliche Entlassungszahlen und geringe Fallkosten auf eine effiziente Versorgung hin.
Wirtschaftlich geht es den Krankenhäusern trotz Umsatzsteigerungen in jüngster Zeit nicht gut. 60 Prozent arbeiten aktuell an einer Verbesserung ihres Ergebnisses – oft mit mäßigem Erfolg. Gadanac rügte, dass der jährliche Investitionsbedarf bei 5,3 Mrd. Euro liege, wobei die Universitätskliniken ausgeklammert sind, die Bundesländer aber nur 2,7 Mrd. Euro beisteuern. 94 Prozent der privaten Krankenhäuser seien voll investitionsfähig, aber nur 63 Prozent der freigemeinnützigen und nur 49 Prozent der kommunalen Häuser.
Nach einer Studie der Unternehmensberatung Roland Berger sehen 45 Prozent der Krankenhäuser Potenziale zur Optimierung im Einkauf und bei den Sachkosten. Damit liegt dieser Bereich auf Rang 3 der Skala. Nur noch die strategische Ausrichtung (81 %) und die Medizin (75 %) liegen beim vermuteten Optimierungspotenzial in der Skala weiter vorne. Chancen für einen wirtschaftlichen Wandel sehen die Krankenhäuser laut der Befragung durch Roland Berger bei der Digitalisierung, durch ambulante Angebote und durch eine Erweiterung des eigenen ambulanten Leistungsportfolios durch MVZs.
Einheitliche Produktpreise für ambulant und stationär
Die Integration der ambulanten Versorgung stellt sich für die Lieferanten aber als problematisch dar, weil die Preise für Medizinprodukte für die ambulante und die stationäre Versorgung unterschiedlich sind. Dies hat seinen Grund z. B. in kleineren Verbrauchsmengen und Verpackungen, in den Bestell- und Liefermengen. Diese „strategische Ausrichtung der Industrie“ wolle Asklepios aber nicht mitmachen, sagte Gadanac. Der Krankenhaus-Konzern verlange von seinen Lieferanten gleiche Preise.
Weiter seien Standardisierung, Digitalisierung, Zentralisierung und die Optimierung der Prozesse für Asklepios beim Einkauf entscheidend. Die zentralen Strukturen sowohl bei der stationären als auch bei der ambulanten Versorgung beinhalteten u. a. einheitliche Rahmenverträge, vollautomatisierte Beschaffungs- und Logistikprozesse, maximale Standardisierungen, standardisiertes Controlling mittels SAP MM, eine effiziente Nutzung von Vertriebsstrukturen der Industrie durch Logistik-Bündelung, zentrale und einheitliche Stammdaten und ein Zentrallager.
Sämtliche Materialbestellungen von den Verbrauchsstellen würden mittlerweile über einen Webshop laufen, der somit eine zentrale Rolle bei der Beschaffung spielt. Und hinsichtlich der Lagerhaltung wolle Asklepios für alle Einrichtungen ein Zentrallager in Schleswig-Holstein bauen. Von hier aus sollen alle Krankenhäuser und Medizinischen Versorgungszentren in Deutschland gebündelt beliefert werden.
Hinsichtlich der Standardisierung baue die Klinik-Kette auf ein Zwei-Ebenen-Modell. Auf der Fachebene werden verbindliche Produktstrategien inkl. Lieferanten- und Produktauswahlverfahren auf Leistungsebene festgelegt. Dabei würden aber auch Sonderprodukte für einzelne, spezialisierte Klinken berücksichtigt. Das Ziel liege in einem verbindlichen Produktportfolio, wobei man bei der Warengruppenstruktur auf Medical Columbus baut. So entstehe pro Klinik ein Hauskatalog, der im Webshop abgebildet ist. Dabei seien sowohl der strategische Einkauf als auch die Anwender im Rahmen einer Facharbeitsgruppe beteiligt.
Die Prozessebene zeichne sich wiederum durch vollautomatisierte Beschaffungs- und Logistikprozesse inkl. zentralem Stammdatenmanagement aus. Der strategische Einkauf steuere das operative Produktauswahlverfahren, individuell pro zu versorgende Einrichtung, zentral und automatisiert über das Produktsteuerungsmodul. Der Kontakt von den Lieferanten zu Asklepios gehe ausschließlich über den strategischen Einkauf. Bestellungen, Rechnungen, Lieferscheine, Kataloge und Herstellerlisten liefen über GHX.
Präzise Logistik statt Konsignationslager
Helmut Drummer war bis vor einem Jahr Bereichsleiter Einkauf und Logistik beim Diakonie-Klinikum Stuttgart. Heute ist er Geschäftsführer der EDH-Con in der schwäbischen Metropole. Auch Drummer verwies auf die schwierige finanzielle Situation der Krankenhäuser – trotz vielfältiger Einnahmequellen in Form von Fördermitteln der Länder, Fallpauschalen, Zusatzentgelten, Wahlleistungen, Privaterlösen usw.
Schlecht für die Krankenhäuser sei die enge, regulatorische Zwangsjacke. Zur Demonstration verglich Drummer das Krankenhaus mit einem freien Wirtschaftsunternehmen wie Daimler. Ein freies Wirtschaftsunternehmen habe im Gegensatz zu Krankenhäusern keine vereinbarten und nicht vereinbarten Mehrleistungen mit Abschlägen, Mindestmengenvereinbarungen, Mindestverweildauern, Budgetvereinbarungen, duale Finanzierung, öffentliche Preiskalkulationen durch Dritte.
In dieses System ist auch der Einkauf eingebunden. Die Devise laute: Der geringste Preis für das bestmögliche Arbeitsmittel steht im Fokus, um den vereinbarten Budgets gerecht werden zu können. Schließlich soll ein monetärer Beitrag zur Wertschöpfung des Krankenhauses beigesteuert werden. Ein Mittel zur Zielerreichung seien Einkaufskooperationen.
Weiter sollten Prozesskosten durch Verschlankungen reduziert, bei den Lieferanten ein Höchstmaß an Liefersicherheit und kurze Lieferzeiten realisiert werden. Mittel zur Zielerreichung sind vereinfachte, automatisierte bzw. digitalisierte Bestellprozesse und flächendeckende einheitliche Barcodes. Es gehe darum, dass der Lieferant, neben günstigen Preisen und erforderlichen Produktqualitäten, digitale Lösungen anbietet, kurzum, echten Nutzen verkauft.
In diesem Zusammenhang sprach sich Drummer gegen Konsignationslager aus, weil die unterm Strich auch von den Krankenhäusern bezahlt werden müssten. Stattdessen seien präzise Bestell- und Lieferprozesse gefordert. Vehement schimpfte er gegen das Vergaberecht, sprich Ausschreibungen, die alle Beteiligten viel Geld kosten würden.
Auch gegenüber den Einkaufskooperationen listete Drummer einen Forderungskatalog auf. Gute Preise seien heute Voraussetzung, meinte er. Die Einkaufsorganisationen sollten ihre Partner, gemeint sind neben den Krankenhäusern auch die Lieferanten, unterstützen durch zentrale Preisvereinbarungen, die Entwicklung digitaler Prozesse, die Ausübung von Marktmacht zur Schaffung von Bewusstsein bei Politik, Krankenhäusern und Herstellern, rechtssichere Ausschreibungen und die Vermittlung von Best Practice zur Prozesskostenreduzierung.
Digitalisierung noch ein Stiefkind
Eine Befragung von Krankenhäusern zum digitalen Einkauf, die interessante Rückschlüsse zulässt, präsentierte Stefan Krojer. Krojer ist Leiter Strategischer Einkauf der Johanniter Competence Center GmbH, die an die Einkaufsorganisation Clinicpartner angebunden ist. Repräsentativ ist diese Befragung mit weniger als 100 Teilnehmern sicher nicht, verdeutlicht aber Trends.
Gemäß einer Umfrage ist der Beschaffungsprozess erst bei 9,9 Prozent der Krankenhäuser zu 75 bis 100 Prozent digitalisiert, bei 32,1 Prozent zu 50 bis 75 Prozent, bei 34,6 Prozent zu 30 bis 50 Prozent, und bei 17,3 Prozent der befragten Häuser sind die Beschaffungsvorgänge nur zu 10 bis 20 Prozent digitalisiert. 6,1 Prozent der befragten Häuser machten keine Angaben.
Wenn digital gearbeitet wird, dann liegt unter den Teilprozessen die Bestellung mit 71,6 Prozent weit vorne, gefolgt von Anforderungen (54,3 %), Stammdaten (51,9 %) und Rechnungen (50,6 %). Prüfungen und Freigabeprozesse, Auftragsbestätigungen und Wareneingang/Kommissionierung werden als Teilprozesse von weniger als 50 Prozent der Krankenhäuser digital umgesetzt.
Doch die Digitalisierung wird ihren Siegeszug auch im Gesundheitswesen und speziell auch im Krankenhaus fortsetzen – mit personellen und funktionellen Konsequenzen. Weil der operative und administrative Bereich komplett digitalisiert wird, geht eine deutliche Mehrheit der Krankenhaus-Manager davon aus, dass der rein operative Einkäufer aussterben wird. Stattdessen wird es nach Krojer wohl neue berufliche Ausformungen wie EKG-Manager, Prozessmanager und Digitaleinkäufer geben.
Die für den Klinik-Einkauf Verantwortlichen müssten gemäß der Umfrage vor allem zu Prozessdenken, Datenanalyse, Problemlösungskompetenz und totalem Kostenmanagement befähigt sein. Verhandlungsgeschick sieht nur ein Viertel der Befragten künftig noch als wichtige Fähigkeit bei den Einkäufern. Wie schnell sich die Digitalisierung durchsetzt, verdeutlichte Krojer am Beispiel der automatisierten Disposition der OP- und Stationsläger. Meinte bei einer Umfrage im Jahre 2017 noch eine Minderheit, dass die Disposition automatisiert verläuft, waren es bei einer Befragung im Jahre 2019 neun von zehn Befragten.
Ob sich eine rein wertorientierte Beschaffung bis 2015 etablieren kann, darüber gehen die Meinungen der Befragten noch auseinander. Eine Mehrheit von 43 Prozent weiß schlicht keine Antwort darauf, obwohl äußere Umstände, wie z. B. Margen- und Kostendruck, die EU-Medizinprodukte-Verordnung und zunehmende Logistikprobleme auf den Straßen dafür sprechen.
Amazon, Google & Co.
Krojer prognostizierte einen starken Wandel bei der Einkaufstätigkeit, die geprägt sein wird durch neue Anbieter bzw. Teilnehmer am Gesundheitswesen, wie Amazon z. B. mit dem Angebot einer Alexa fürs Krankenhaus, durch veränderte Angebote und Konsolidierung bei den Einkaufsgemeinschaften, Social Media, Lieferanten- und Value-Apps, also Beschaffungsvorgänge via Smartphone.
Konkrete Technologiebeispiele, die im Einkauf bald kommen werden, sind für ihn Text- und Datenanalysen mittels Algorithmen, maschinell und automatisierte Veredelung von Artikelstammdaten, Software zur Erkennung von Synergiepotenzialen, automatisierte Vertragsanpassungen an veränderte Umstände, Sensor-Rückverfolgungen von Lieferketten sowie das Erkennen von Fehlern und Aussortieren nichtaktiver Datensätze durch digitales Datenmanagement.
Einkauf, MDR und Amazon
Im Anschluss an die Vorträge fand eine Podiumsdiskussion mit den Referenten statt. Hinsichtlich des Einkaufs meinte Helmut Drummer, dass sich der Krankenhaus-Einkauf durch Google und Amazon nicht erledigen werde. Weiterhin sei die Verbindlichkeit in Verträgen mit Lieferanten notwendig. Der Einkäufer müsse sich vom Beschaffer zum Kommunikator entwickeln. Das leiste keine Plattform.
Hinsichtlich der Ausschreibungen bedauerte Drummer, dass es aus organisatorischen und vergaberechtlichen Gründen keine generelle Ausschreibung zum medizinischen Bedarf geben könne. Er empfahl den Krankenhäusern die Teilnahme an Ausschreibungen von Einkaufsorganisationen. Auch Stefan Krojerbewertete die Einkaufsgemeinschaften positiv. Sie böten Lösungsansätze in Form von Logistik, Digi talisierungs- und Analysetools, Prozess-Apps, E-Shops. Trotzdem sollten sich die Krankenhäuser nicht zu abhängig von ihnen machen.
Für die Zukunft prognostizierte Krojer, dass es eventuell Kooperationen zwischen Einkaufsorganisationen, Amazon und Roland Berger mit dem Krankenhaus-Einkäufer als Schnittstelle geben könnte. Weiter sah er Tendenzen für vernetzte Klinik-Läger und zur Gründung europaweiter Einkaufsorganisationen. Bei diesen könnte Amazon als technologischer Logistik-Partner auftreten. Konkret wünschte sich Janis Gadanac eine Vereinheitlichung und Standardisierung der Stammdaten mit der Industrie.
Den Web-Shop von Asklepios sieht Gadanac durchaus übertragbar auch auf Einkaufsorganisationen. Gadanac ging auch auf die Folgen von MDR und Brexit für die Krankenhäuser ein. Die Krankenhäuser müssten mit Produkt-Ausfällen rechnen. Deshalb müssten die Lagerkapazitäten ausgebaut werden, um bei einem notwendigen Produktwechsel einen Puffer zu haben.