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23. Januar 2018
Redaktion
Hilfsmittelmarkt in Österreich

Selbsteinschätzung der Sanitätshäuser zur Marktpräsenz

Medupha Healthcare-Research befragte zwischen Juli und August 2017 im Auftrag des Herstellerverbandes Eurocom den österreichischen Sanitätsfachhandel zu zukunfts- und serviceorientierten Fragestellungen. Es beteiligten sich die Geschäftsführer von 40 Unternehmen.
Selbsteinschätzung,
Foto: vegefox.com/Fotolia

Die Befragung sollte zukünftige Themen, Probleme und Unterstützungsbedarf der Branche verdeutlichen. Die Ergebnisse dieser Befragung lassen sich, so die Einschätzung der MTD-Redaktion, weitgehend auf die Situation der deutschen Sanitätshäuser übertragen.

Die Struktur der Branche

Die Analyse verdeutlicht, dass es sich bei den Unternehmen vor allem um kleinere Betriebe handelt. Die Hälfte der befragten Firmen haben bis zu zehn Mitarbeiter, 15 Prozent bis 20 und 30 Prozent über 20 Mitarbeiter. Entsprechend liegt der Umsatz bei 28 Prozent der Unternehmen bei unter einer halben Million Euro, bei 15 Prozent zwischen einer halben und einer Million Euro, bei 30 Prozent zwischen 1 und 3 Mio. Euro und bei 15 Prozent über 3 Mio. Euro. Der Rest machte keine Angaben.

40 Prozent des Umsatzes generieren die Sanitätshäuser aus dem Handel (Sani­tätshaus, Kompression, Bandagen usw.), 23 Prozent aus der Werkstatt (orthopädische Schuhe, Einlagen, individuelle Anfertigungen usw.), 9 Prozent aus der Prothetik, 12 Prozent aus der Orthetik, 10 Pro­zent aus der Rehabilitation und 6 Prozent aus sonstigen Geschäftsbereichen. Es zeigte sich, dass vor allem die kleineren Betriebe einen höheren Handwerksumsatz haben. (Anm. d. MTD-Red.: Zu beachten ist auch im weiteren Fortlauf die Abgrenzung von Werkstattleistungen, Prothetik und Orthetik.)

Dieser Unterschied zeigt sich auch beim Gewinn, wobei kleinere Firmen mehr prozentualen Gewinn durch das Handwerk und die größeren mehr prozentualen Gewinn beim Handel haben. Alle Unter­nehmen erwirtschaften durchschnittlich 28 Prozent mit dem Handel, 33 Prozent mit der Werkstatt, jeweils 10 Prozent mit Prothetik, Orthetik und Rehabilitation und 7 Prozent mit sonstigen Geschäftsfeldern. 2 Prozent machten keine Angaben.

73 Prozent der befragten Sanitätsfachhändler sind spezialisiert (Mehrfachnennungen möglich): 15 Prozent auf die Reha­technik, 13 Prozent auf die Orthetik, jeweils 8 Prozent auf Prothetik, Krankenpflege, OT-Schuhe, Einlagen und Ortho­pädie/Kinderorthopädie/OT-Hilfs­mittel/ Orthopäden, jeweils 5 Prozent auf Inkontinenz, med. Strümpfe und Bandagen sowie Disability-Management/Neuroortho­pädie und gefräste Einlagen. 18 Prozent haben andere Schwerpunkte.

Bei den Produktverkäufen handelt es sich bei 54 Prozent um Fertigprodukte, bei 20 Prozent um Halbfertig- bzw. Bausatzprodukte und bei 26 Prozent um individuelle Anfertigungen. 66 Prozent des Umsatzes erzielen die Firmen mit Kassenprodukten, 26 Prozent mit dem Freiverkauf und 8 Prozent mit Dienstleistungen.

Problemfelder und Herausforderungen

Größte Herausforderungen für die Branche sind Tarif/Kassenerstattung (73 %), die Preisgestaltung im Freiverkauf (25 %), die Entwicklung der Rentabilität (30 %), die Personalsituation (60 %), die Nachfolge (15 %) und andere Themen (8 %).

Die geringen Spannen bei Kassentarifen drohen nicht mehr kostendeckend zu sein. Zudem wird befürchtet, dass aufgrund des Sparkurses der Kassen viele gute Produkte aus dem Sortiment verschwinden werden. Die Personalsituation gestaltet sich einerseits durch den Mangel an Fachkräften und fehlenden Ausbildungsmöglichkeiten schwierig, andererseits werden die hohen Lohnneben­kosten als problematisch empfunden. Hinsichtlich der Preisgestaltung im Freiverkauf ist die Entwicklung der Rentabilität besonders für kleinere Betriebe ein kritisches Thema.

Zukünftige Entwicklung

Hinsichtlich der Entwicklung der Produktbereiche in den nächsten fünf Jahren gehen 63 Prozent von einer steigenden Bedeutung der Fertigprodukte aus (32 % gleichbleibend, 5 % abnehmend). Die Bedeutung der Halbfertig- bzw. Bausatzprodukte wird nach Meinung von 47 Prozent steigen, nach Ansicht von 45 Prozent gleich bleiben und für 3 Pro­zent der Befragten eher sinken. Bei den individuellen Anfertigungen gibt es drei fast gleiche Urteilsgruppen (30 % steigend, 38 % gleichbleibend, 30 % abnehmend).

Wichtige Ereignisse bei der Planung der nächsten fünf Jahre sind für 25 Prozent der Betriebe die Geschäftsübergabe, für 10 Prozent der Verkauf, für 30 Prozent die Expansion, für 20 Prozent das Eingehen einer strategischen Partnerschaft und für 3 Prozent die Geschäftsaufgabe. Eine strategische Änderung des Betriebes streben nur 15 Prozent der Befragten an. Diejenigen, die eine strategische Änderung vornehmen wollen, wollen vor allem eine Konzentration auf den Handel (50 %) und die Rehabilitation (33 %) vornehmen. Es folgt die Fokussierung auf die Werkstatt und die Prothetik mit jeweils 17 Prozent.

Hinsichtlich der Umsatzentwicklung mit Kassenprodukten gehen 40 Prozent von einem gleichbleibenden Umsatz in den nächsten fünf Jahren aus. 28 Prozent prognostizieren einen steigenden und 25 Prozent einen fallenden Kassenumsatz. Dagegen sehen die meisten der Befragten (67 %) den Umsatz aus dem Freiverkauf im Aufwind. 25 Prozent glauben an keine Veränderung, 8 Prozent, dass der Umsatz mit Freiverkaufsartikeln sinken wird. Vor allem die größeren Unternehmen gehen von einer Zunahme des Freiverkaufs aus. Absolut glauben die befragten Sanitätshaus-Chefs, dass der Um­satz mit Kassenprodukten in fünf Jahren noch 57 Prozent des Gesamtumsatzes aus­machen wird. Auf den Freiverkauf werden 33 Prozent und auf Dienstleis­tungen 10 Prozent entfallen, so der prognostizierte Mittelwert. Zur Gegenüberstellung: Derzeit werden 66 Prozent des Umsatzes mit Kassenprodukten, 26 Prozent mit Freiverkaufsprodukten und 8 Prozent mit Dienstleistungen gemacht.

Dass der Freiverkauf steigen wird, hat seinen Grund. 52 Prozent der Befragten beobachten eine steigende Bereitschaft der Kunden zum Kauf hochwertiger, nicht vergüteter Produkte. 40 Prozent können keine Veränderung feststellen und nur 8 Prozent registrieren eine sinkende Bereitschaft zur Eigenfinanzierung hochwertiger Produkte.

Einig sind sich die Sanitätshäuser (70 %) in der Einschätzung, dass Aufzahlungen seitens der Patienten auf die Kassenvergütung sehr notwendig sind, 25 Prozent sehen eine gewisse Notwendigkeit. Dies korreliert wieder mit den Kunden. 60 Pro­zent sehen eine steigende Bereitschaft bei den Kunden zu Aufzahlungen, 28 Pro­zent eine gleichbleibende und nur 7 Prozent eine sinkende Bereitschaft. Freilich gibt es monetäre Obergrenzen, die sich nach Produktgruppen etwas unterscheiden. Bei Kompressionsstrümpfen darf eine Aufzahlung gemittelt bei höchstens 28 Prozent, bei Einlagen bei 36 Prozent und bei anderen orthopädischen Hilfsmitteln bei 38 Prozent liegen.

Eine weitere Frage bezog sich auf den Internethandel. Nur 23 Prozent der Sani­tätshäuser betreiben heute schon einen Internethandel. Und in den nächsten Jahren wollen auch nur 23 Prozent von denen, die heute noch keinen Internethandel betreiben, einen solchen eröffnen.

Beziehungen zu den Lieferanten

Wie werden die Beziehungen zu den Lieferanten in den Bereichen Kompression, Orthopädie und Einlagen gesehen? Gut! 89 Prozent der Sanitätshäuser benoten ihre Kontakte zu den Lieferanten als sehr gut oder gut.

Insgesamt betrachtet erwarten sich die Sanitätsfachhändler grundsätzlich schnel­le und unkomplizierte Bestell- und Lieferprozesse sowie faire markt- bzw. tarifgerechte Preise. Auch mehr direkter Kontakt zu Vertretern der Firmen, ein gutes Verhältnis in der Zusammenarbeit sowie ausreichende und gute Informationen zu den Produkten werden als Erwartungen genannt.

Grundsätzlich werden die Leistungen der Lieferanten als relativ gut bewertet. Dennoch liegt die Zufriedenheit der Händler mit den Leistungen teilweise unter dem Anforderungsniveau, vor allem in den Bereichen Preisgestaltung, Reklamationsmanagement und Aufzahlungsrealisierung.

Lob erhalten die europäischen Hersteller hinsichtlich ihrer Produktqualität.

77 Prozent der befragten Sanitätshaus-Geschäftsführer meinen, dass die Qualität der europäischen Markenprodukte gegenüber Nachahmer-Produkten wesent­lich (52 %) oder ein wenig höher (25 %) ist. Nur 20 Prozent sehen keine Unterschiede und ganze 3 Prozent sehen bei Nachahmerprodukten eine wesentlich höhere Qualität. Deshalb ist für 75 Prozent sehr wichtig, dass Markenprodukte europäischer Hersteller verfügbar sind; für weitere 13 Prozent ist diese Verfügbarkeit eher wichtig.

Fazit

Der Sanitätsfachhandel hat in zunehmenden Maß mit einer Rentabilitätsproblematik zu kämpfen. Stichworte sind sinkende Kassentarife, steigende Einstandspreise und immer höhere Fixkos­ten. Die Anforderungen an die Lieferanten spiegeln dies wider, dies besonders bezüglich der Preisgestaltung und im Reklamations­management, des Weiteren bei der Realisierung der Aufzahlung. Darüber hinaus kann die Industrie ihre Handelspartner im Service­bereich unterstützen. Sehr zufrieden ist der Handel auf jeden Fall mit der Produktqualität der europäischen Hersteller.

 

MTD Medizintechnischer Dialog 12 / 2017

Foto: Karolina Grabowska/Pixabay
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