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Foto: Ortheg/Aneta Esz/Pixabay

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Herr Bolsinger, was waren die wichtigsten Meilensteine der Genossenschaftsgeschichte?
Andreas Bolsinger: Was im Jahr 1991 mit 78 Mitgliedsbetrieben begann, ist heute zu einer starken Gemeinschaft mit knapp 300 Mitgliedern herangewachsen. 1994 wurde es in Ehingen zu eng. Deshalb verlegte die ORTHEG den Stammsitz mit Zentrallager und Verwaltung auf ein größeres Gelände nach Laupheim.
In den folgenden Jahren wurde die Lagerfläche Schritt für Schritt erweitert. 2019 kamen ein neues Verwaltungsgebäude sowie neu gestaltete Schulungsräume dazu. Und im Geschäftsjahr 2019/2020 haben wir erstmals die magische Umsatzgröße von 100 Mio. Euro überschritten, was auch das Ziel der Pioniere Raymund Weber und Peter Pröbstle war.
Können Sie uns ein paar weitere Kennzahlen nennen?
Bolsinger: Die 100 Mio. Euro Umsatz haben wir mit rund 300 Mitgliedsbetrieben und 150 Kunden erreicht. 2021 ist es uns dann gelungen, den Umsatz mit rund 42 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Lager und der Verwaltung auf 110 Mio. Euro auszubauen.
In den vergangenen Jahren gab es ja große personelle Veränderungen …
Bolsinger: Das stimmt. Allerdings wurden diese Veränderungen bereits früh von Raymund Weber vorbereitet. Er hatte bereits vor einigen Jahren den generationenübergreifenden Prozess „Zukunftsvision ORTHEG“ gestartet. Da waren auch Stefan Hartmann, Patrizia Patzke und ich mit an Bord. Und nach Herrn Webers Eintritt in den Ruhestand Ende 2020 wurde Bodo Schrödel am 1. Januar 2021 zum Vorstandsvorsitzenden ernannt.
Sein neues Amt konnte Herr Schrödel leider nur kurze Zeit ausführen. Am 23. Mai 2021 ist er verstorben.
Bolsinger: Und dennoch hat er seine Position jederzeit mit voller Tatkraft ausgefüllt. Eben so, wie wir Bodo Schrödel gekannt haben. Ich war zu diesem Zeitpunkt schon geschäftsführender Vorstand. Stefan Hartmann, der damalige Leiter des Einkaufs, erhielt Prokura.
Wie hat die ORTHEG nach dieser tragischen Zäsur den Übergang gestaltet?
Bolsinger: Natürlich hatten wir nach Bekanntwerden seiner Krankheit gehofft, dass Herr Schrödel lange im Amt bleiben kann. Er war für die ORTHEG ein sehr guter Ratgeber und ebenfalls ein Pionier.
Für uns war und ist immer wichtig, dass wir den Geist, die Historie und die Grundwerte der ORTHEG kennen und darauf haben uns alle Vorstände – Herr Pröbstle, Herr Weber und Herr Schrödel – vorbereitet. Sie haben uns ein gesundes und wachsendes Unternehmen in die Hände gegeben, dem wir uns verpflichtet fühlen.
Mitte 2021 hat der Aufsichtsrat das Führungsteam neu aufgestellt.
Stefan Hartmann: Der neue Vorstand der ORTHEG besteht aus Andreas Bolsinger (Vorsitzender) und mir. Patrizia Patzke erhielt in diesem Zuge Prokura.
Bei den Zuständigkeiten haben wir Schwerpunkte gesetzt. Andreas Bolsinger ist im Bereich Vertrieb, Dienstleistungen, Verbände und IT in der Verantwortung, während ich die Bereiche Einkauf und Lager lenke. Frau Patzke leitet übergeordnet den Bereich Personal und die internen Abteilungen.
Hier haben wir in den vergangenen zwei Jahren Strukturen neu aufgebaut, um für die zukünftigen Herausforderungen gewappnet zu sein.
Welche Ziele und Visionen haben Sie als neue Führungsspitze?
Hartmann: Unser Ziel bleibt, dass das, was wir tun, mit vollem Engagement professionell, bodenständig und zuverlässig geleistet wird. Wir wollen mit unserem Leistungsangebot unseren Betrieben helfen, sich in einem rasant wandelnden Marktumfeld zu behaupten und deren gesunde Entwicklung fördern.
Unsere Betriebe sollen auch in Zukunft einen starken und leistungsfähigen Partner an der Seite haben. Wir sehen und wertschätzen die Individualität unserer Mitgliedsbetriebe und wollen, dass sie in ihrem speziellen (regionalen) Umfeld größtmöglichen Erfolg haben.

Gibt es eigentlich den „typischen“ ORTHEG-Betrieb?
Hartmann: Einen typischen ORTHEG-Betrieb zu benennen und zu definieren ist nicht ganz so einfach. Wir haben uns darauf ausgerichtet, dass wir eine große Bandbreite an Betrieben mit unseren Dienstleistungen unterstützen können.
Sowohl stark filialisierte Betriebe als auch familiengeführte Einzelunternehmen sind bei uns vertreten und schöpfen gleichermaßen und individuell aus den Vorteilen einer starken Gemeinschaft.  Sowohl Einmannbetriebe als auch Unternehmen mit über 150 Mitarbeitern finden bei uns einen sicheren Hafen.
Gibt es einen regionalen Schwerpunkt bei den Mitgliedsbetrieben?
Hartmann: Aktuell liegt der regionale Schwerpunkt auf Bayern und Baden-Württemberg. Wir erhalten jedoch vermehrt Anfragen auch aus anderen Bundesländern und stellen hier Betreuungskapazitäten zur Verfügung. Somit können deutschlandweit Betriebe einen starken Partner wie die ORTHEG in Anspruch nehmen.
Wie sind die Aufnahmekriterien?
Hartmann: Mitglied der ORTHEG können alle Mitglieder einer Landesinnung oder eines Fachverbands für Orthopädie-Technik/Orthopädieschuhtechnik werden. Darüber hinaus können Fachhändler mit Versorgungsberechtigung gegenüber Kostenträgern Mitglied werden. Über eine Probemitgliedschaft können uns Interessenten kostenlos und ohne Risiko auf Herz und Nieren prüfen, oder Lagerware ohne Verpflichtung kaufen.
Wie ist die ORTHEG aufgestellt bez. Einkauf, Lieferanten und Fachhandel?
Hartmann: Die ORTHEG hat alle namhaften und branchenrelevanten Lieferanten aus den Bereichen Rehamittel, Orthopädie, Sanitäthaus-Handelsware und Medicalprodukte im Portfolio. Dabei beträgt der Anteil des Lagergeschäftes, das sich an den Bedürfnissen unserer Mitglieder orientiert und diesen eine große Stütze während der Pandemie war und ist, knapp 25 Prozent.
Der Einkauf, das Herzstück, ist durch mich im Vorstand angesiedelt, was ebenfalls die Bedeutung dieses Bereiches – sowohl in Richtung Mitglieder als auch Lieferanten – unterstreicht. Durch den Kauf der Lagerware wird die strategische Partnerschaft mit Lieferanten intensiviert.
Unsere Mitglieder profitieren von attraktiven Preisen und Rückvergütungen und können täglich ab Laupheim versandkostenfrei ab 50 Euro beliefert werden. Zusätzlich profitieren die Mitglieder von einem 4-prozentigen Skontosatz, sowohl auf Lager- als auch auf Streckenumsätze.
Blicken wir in die Zukunft: Welche Investitionen stehen auf der ORTHEG-Agenda?
Hartmann: Die Hauptinvestitionen liegen vor allem im Bereich IT und Digitalisierung. Hier bereiten wir uns auf die kommenden Herausforderungen der Digitalisierung im Gesundheitswesen vor und stellen die Weichen. So haben wir bereits unsere IT-Infrastruktur wie unser ERP, unseren Webshop, der von über 95 Prozent unserer Mitglieder genutzt wird, unsere Homepage und das Archivierungssystem vergangenes Jahr auf den aktuellsten Stand der Technik gebracht.
Beim Betreten des ORTHEG-Parkplatzes fällt eine weitere Neuerung auf: E-Tankstellen.
Bolsinger: Richtig. Im März haben die Tiefbauarbeiten für die zukünftigen Ladesäulen begonnen. Einerseits, weil unsere Lieferanten, Seminarteilnehmer und Mitarbeiter verstärkt auf E-Mobilität setzen. Hier möchten wir eine passende Infrastruktur bieten. Andererseits aber auch, weil wir unsere Dienstwagen-Flotte sukzessive auf E-Mobilität umrüsten werden. Dieses Jahr starten wir zunächst mit drei E-Autos.
Sie bieten ja auch Marketing-Maßnahmen für Mitgliedsbetriebe an, richtig?
Bolsinger: Wir unterstützen unsere Mitglieder sowohl im Printbereich (Kataloge und Folder), als auch im digitalen Bereich. So bieten wir unseren Mitgliedern einen komplett gepflegten, aber individualisierbaren Online-Shop als Dienstleistung an.
Unterstützt wird der Online-Auftritt mit einem umfangreichen Freiverkaufskatalog und der Option der Endverbraucher-Direktbelieferung ab ORTHEG-Lager. Ebenfalls sehr gut angenommen wird unsere Beratungsbroschüre „Rehabilitation, Mobilität und Pflege zu Hause“.
Die ORTHEG hat zudem ein stetig wachsendes Seminarangebot …
Bolsinger: Neben klassischen Präsenzseminaren bieten wir Online-Seminare für Unternehmer, Führungskräfte und Mitarbeiter an, darunter auch zahlreiche Fortbildungen zur Erfüllung der Krankenkassenverträge und gesetzlichen Vorgaben. Zudem sind wir anerkannter Anbieter von Fortbildungskursen nach den Richtlinien des Instituts für Qualitätssicherung und Zertifizierung der Bundesfachschule für Orthopädie-Technik.
Wichtig ist uns jedoch, die gesamte Bandbreite abzudecken, d. h. auch den kaufmännischen Bereich und das Thema „Führungskompetenz“. Unsere Mitglieder sollen jeglichen Schulungsbedarf, der sich ergibt, bei uns abdecken können. Und ganz neu sind unsere E-Learning-Angebote.

Die ORTHEG betreibt gemeinsam mit der Egroh das Partner-Portal „ORTHEGROH“. Wie läuft es?
Bolsinger: Der Erfolg spricht für sich. Mehr als 100 ORTHEG-Mitglieder nutzen das Portal und sind begeistert.
Gemeinsam mit der Egroh ist die ORTHEG auch erfolgreich in Sachen Nachwuchsförderung, richtig?
Hartmann: Genau. Die ORTHEGROH Unternehmerschule hat nach ihrem Start 2019 richtiggehend am Markt ein­geschlagen, weil die Nachfolge-Problematik in der Branche so groß ist. Wir wollen da Teil der Lösung sein. Die erste Gruppe ist bald fertig mit ihrer Ausbildung. Aktuell wird die vierte Staffel vorbereitet.
Wie kommt es, dass zwei Einkaufsgenossenschaften so erfolgreich zusammenarbeiten, anstatt sich das Wasser abzugraben?
Hartmann: Natürlich begegnet man sich auf dem Markt irgendwo als Mitbewerber. Wir haben jedoch gemeinsame Interessen, und zwar das Marktgeschehen mitzugestalten. Und es liegt im Interesse beider Seiten, dass es auch künftig Sanitätshäuser in allen möglichen Strukturen auf dem Markt gibt. Davon abgesehen glauben wir, dass jeder Kunde sich für den Partner entscheidet, der am besten zu ihm passt.
Bolsinger: Ich denke, es ist ein Verständnis dafür gereift, dass man gewisse Dinge gemeinsam machen kann, wie z. B. das Vertragsmanagement. Sonst müsste es jeder alleine stemmen. In gewissen Dienstleistungsbereichen wollen wir im Grunde alle das Gleiche und gemeinsam ist man einfach stärker. Dazu kommt, dass ein größerer Generationswechsel in der Branche ansteht. Die kommenden Führungskräfte denken vernetzter denn je. Das sehen wir bei der Unternehmerschule.

ORTHEG
eG Als Einkaufsgenossenschaft für Sanitätshäuser, orthopädische Werkstätten und Orthopädie-Schuhtechniker wickelt die in Laupheim ansässige ORTHEG den zentralen Einkauf für rund 300 Mitgliedsbetriebe mit 150 Filialen sowie 100 Kunden mit einem Volumen von insgesamt über 100 Mio. Euro ab.
Gegründet wurde die Genossenschaft 1991 von Rechtsanwalt Raymund Weber mit seinerzeit 78 Mitgliedsunternehmen. Als Vorstandsvorsitzender führte er drei Jahrzehnte lang, gemeinsam mit dem geschäftsführenden Vorstand Peter Pröbstle, die Geschicke der Genossenschaft.
Auf Pröbstle folgte 2018 Andreas Bolsinger als geschäftsführender Vorstand, der seit 2016 bei der ORTHEG ist. Nach Webers Eintritt in den Ruhestand übernahm Bodo Schrödel, ebenfalls Gründungsmitglied der ORTHEG und von Anfang an im Vorstand, zum 1. Januar 2021 das Amt des Vorstandsvorsitzenden. Er verstarb nur wenige Monate später.
Mitte 2021 stellte die ORTHEG dann das neue Führungsteam vor, bestehend aus dem Vorstandsvorsitzenden Andreas Bolsinger, Vorstand Stefan Hartmann, dem seit 2018 die Leitung des Bereichs Einkauf und Warenwirtschaft obliegt, sowie der Betriebs- und Personalleiterin Patrizia Patzke, die seit 2017 für die ORTHEG tätig ist und im Rahmen der Neuaufstellung Prokura erhielt. 

 
Wie „ticken“ denn die zukünftigen Führungskräfte?
Bolsinger: Was ich unheimlich spannend finde, ist die Tatsache, dass die jungen Führungskräfte sich untereinander und betriebsübergreifend austauschen und sich helfen und unterstützen. Sie vernetzen sich, wie beispielsweise in der ORTHEGROH Unternehmerschule, und tauschen sich in einem geschützten Rahmen über Prozesse aus und gewinnen neue Erkenntnisse. Dadurch entsteht soviel Dynamik, dass sich die Unternehmen in den kommenden Jahren sehr schnell weiterentwickeln werden.
Gutes Stichwort: Was hat eigentlich Corona für die ORTHEG an Entwicklungen gebracht?
Bolsinger: Die Mitglieder der ORTHEG konnten wir auch während der harten Pandemiephasen erfolgreich mit Produkten beliefern. Hier hat sich unsere Lagerhaltung ausbezahlt und vor allem bei lieferkritischen Produkten konnten wir die Engpässe ausgleichen.
Intern haben wir frühzeitig auf Homeoffice und Schichtarbeit gesetzt und sind dadurch ohne Ausbruch durch die Zeit gekommen. Um unsere Mitglieder in der angespannten Zeit zu unterstützen, haben wir einen zusätzlichen Bonus an die Mitglieder ausbezahlt. Allgemein betrachtet hat die Pandemiezeit sowohl intern als auch bei unseren Mitgliedern zu einem Digitalisierungsschub geführt.
Lassen Sie uns in die Zukunft blicken: Wo steht die ORTHEG in zehn Jahren?
Hartmann: Wir möchten weiter an Konzepten und Angeboten arbeiten, um den Unternehmern bei allen Anforderungen in diesem Marktumfeld als starker Partner zur Seite zu stehen und sie in ihrem Tun unterstützen. Wir wollen ihnen den Rücken für das Wesentliche freihalten, indem wir den Unternehmen auch in Zukunft hochprofessionelle Versorgung anbieten.
Die Branche befindet sich in einem stetigen Veränderungsprozess. Auch in zehn Jahren wollen wir nahe an unseren Mitgliedern sein und zu den besten Dienstleistern gehören. Mit diesem Ziel vor Augen, werden wir weitere Mitglieder in Deutschland gewinnen und unseren Wachstumskurs fortsetzen.
Herr Bolsinger, Herr Hartmann, vielen Dank für das interessante Gespräch. 
 
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Foto: Karolina Grabowska/Pixabay
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