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20. September 2023
Redaktion
Forschung der FH Bielefeld im neuen GesundZentrum

Wenn das Bett den Puls misst

Im neuen GesundZentrum in Bielefeld können Pflegebedürftige, ihre Angehörigen und Pflegepersonal interdisziplinär entwickelte Technologien für das Gesundheitswesen aus dem Forschungsverbund CareTech OWL erleben und sich beraten lassen. Das Angebot wird führend von der PVM Patienten Versorgung Management GmbH getragen (s. Bericht in MTD Medizintechnischer Dialog 1/23, S. 19).
Forschung
Foto: Patrick Pollmeier/FH Bielefeld
CareTech OWL bündelt die an der FH Bielefeld vorhandenen interdisziplinären Forschungs- und Entwicklungsexpertisen von Gesundheits-, Sozial-, Wirtschafts- und Ingenieurwissenschaften.

Der Roboterarm am Pflegebett reicht das Telefon per Sprachsteuerung an oder assistiert bei Pflegehandlungen. Das intelligente Zuhause erkennt Alltagsroutinen und schlägt bei Abweichungen Alarm. Das mit Sensoren ausgestattete Bett übermittelt Vitaldaten eines Patienten und meldet sich, wenn Gefahr droht wundzuliegen. Digitalisierte Technik, wie sie im Rahmen des interdisziplinären Forschungsverbunds der Fachhochschule (FH) Bielefeld „CareTech OWL“ entwickelt wird, kann praktische Hilfen im Gesundheitswesen bieten. Zu erleben sind die Innovationen im GesundZentrum.

„Im Bereich der Assistenztechnologie wird seit 20 Jahren intensiv geforscht, aber noch immer kommt viel zu wenig intelligente Technologie in der Praxis an“, berichtet Prof. Dr. Udo Seelmeyer vom Fachbereich Sozialwesen an der FH. Ziel des GesundZentrums sei deshalb, „Forschung anschlussfähig für die Umsetzung in der Praxis zu machen“ und mit Partnern aus der Wirtschaft einem Prototyp zur Marktreife zu verhelfen.

Mit im Boot sind neben CareTech OWL u. a. die Stadt Bielefeld mit ihrer Pflegeberatung, das Ärztenetz Bielefeld, Fachfirmen für Medizinprodukte, zum Beispiel zur Sauerstoff- und Inkontinenzversorgung, Anbieter von Bewegungs- und Ernährungskursen, Bethel regional sowie Handwerksbetriebe, die bei der Umgestaltung des häuslichen Umfelds im Pflegefall helfen.

Auf 750 Quadratmetern ist eine Beratungs- und Erprobungsfläche entstanden. PVM-Geschäftsführer Markus Wendler: „Wir können hier Fragen und Bedarfe der Pflegebedürftigen aufnehmen und an die Forschenden weiterleiten.“ Von diesem Austausch erhalte die Wissenschaft Ideen für eine bedarfsorientierte Forschung.

Forscherteam
Foto: Patrick Pollmeier/FH Bielefeld
Justin Baudisch, Prof. Dr. Thorsten Jungeblut, Prof. Dr. Udo Seelmeyer und Tobias Ehlentrup von der FH Bielefeld vor dem GesundZentrum (v. l. n. r.).

Smart Home für Pflegebedürftige

Wie assistive Technologien im häuslichen Kontext funktionieren, zeigt die „ErlebenWelt“ im GesundZentrum. In einer Musterwohnung können sich Pflegebedürftige, ihre Angehörigen und Fachkräfte aus der Gesundheitsbranche nicht nur zu Hilfsmitteln, Dienstleitungen, Fördermöglichkeiten beraten lassen, sondern alles gleich testen.

Durch den Einsatz von Bewegungsmeldern und Sensoren wurde an der FH ein System entwickelt, das die Bewegungsabläufe einer Person erfasst, auswertet und somit „lernt“, wie die Alltagsroutine aussieht: Wann werden beispielsweise welche Lichtschalter betätigt, die Kaffeemaschine eingeschaltet oder ein Wasserhahn im Bad aufgedreht? Kommt es zu Abweichungen, kann es sein, dass jemand gestürzt ist oder morgens das Bett nicht verlassen hat. Dann setzt das System einen Notruf an die Angehörigen oder den Pflegedienst ab.
Um Sicherheit vor unbefugter Datennutzung zu gewährleisten, werden die meisten Daten vor Ort verarbeitet und kommen gar nicht erst in die Cloud. Durch Auswertung und Kombination der Daten kann ein Aktivitätsindex erstellt werden, ohne zu stark in die Privatsphäre der Person einzugreifen. Das ist Beruhigung und Entlastung für Angehörige, die mittels der Technik sehen können, dass zu Hause alles seinen gewohnten Gang geht.

Es war den Forschungsteams wichtig, dass das smarte Home wohnlich bleibt und einfach nachzurüsten ist. Die kostengünstige Elektronik, die in Form von Bewegungsmeldern, Lichtschaltern, Tür- oder Fenstersensoren zum Einsatz kommt, sei dezent oder sogar meist unsichtbar verbaut; wie auch der Wasserzähler im Ausstellungsbad, der den Durchlauf misst: Rauscht das Wasser über längere Zeit durch, deutet das darauf hin, dass der Bewohner bestenfalls schlicht vergessen hat, den Hahn zuzudrehen. Oder aber, dass er in der Dusche das Bewusstsein verloren hat.

Roboterarm als helfende Hand

Ein am Nachttisch installierter Roboterarm aus dem FH-Labor kann Pflegende in Kliniken, Pflegeeinrichtungen oder zu Hause entlasten. Mittels Sprachsteuerung reicht er Bettlägrigen Fernbedienung, Rätselheft oder Telefon. Der Arm stoppt automatisch bei Berührung. Mikrofon und Lautsprecher sind so ausgerichtet, dass der Bettlägrige das System mittels Sprache bedienen kann. Weitere Unterstützung soll eine in der Entwicklung befindliche humanmechatronische Orthese mit gezielter Kraftunterstützung für den Care-Sektor bieten.

Rund um das Bett ist noch viel Raum für technische Lösungen, die das Pflegen erleichtern: So kann ein mit Sensoren ausgestattetes Pflegebett Vitaldaten aufzeichnen, im Sinne der Dekubitus­prophylaxe drohende Druckstellen erkennen und die Pflegenden über eine notwendige Umbettung der Patienten informieren.

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Foto: Karolina Grabowska/Pixabay
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