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5. Oktober 2017
Redaktion
Sana Kliniken AG/Übernahme Roeser Medical Group

Domino-Effekt mit Risiken und Chancen

Im Mai übernahm die Sana Kliniken AG die Roeser Medical Group, einen der ganz Großen der bundesdeutschen MT-Handels­szene. Damit verbunden sind viele Fragen. Nicht zuletzt auch bezüglich der Risiken, aber auch Chancen, die sich aus dieser Elefantenhochzeit für die betroffenen Marktplayer ergeben: also Fachhandel, Industrie und Kliniken.
Effekte,
Foto: privat
Christoph Drescher sieht die MT-Szene infolge der Roeser-Übernahme durch die Sana generell in Bewegung.

Im Gespräch mit MTD analysiert Christoph Drescher* die neu entstandene Situation. Sein Credo: Veränderungen bergen auch Chancen. Selbstkritische und gegenüber Marktveränderungen offene MT-Handelsunternehmen haben aus seiner Sicht auch künftig gute Karten.

Die Übernahme der Roeser Medical Group durch die Sana ist ein Paukenschlag. War damit zu rechnen?

Nun, die Übernahme selbst hat nicht wirklich überrascht, Übernahmen sind in der Branche nicht unüblich. Und gerade bei diesem Handelsunternehmen hat sich die Entwicklung in den letzten Jahren quasi abgezeichnet. Und dass die Sana jetzt aktiv geworden ist, zeigt, dass die beiderseitig vorhandenen Strukturen wohl gepasst haben.

Was macht die Roeser Medical Group für die Sana so interessant?
Die Roeser-Gruppe ist ein flächende­ckender Anbieter für den Krankenhaussektor. Die Sana ist ebenfalls bundesweit aufgestellt. Ein großer Krankenhausanbieter und ein großer Gesundheitsversorger, die aufgrund dieser Konstellation genug Ansatzpunkte für Synergien bieten, gehen folgerichtig zusammen. Und sicher ist damit die Hoffnung verbunden, dass Krankenhauswettbewerber dennoch weiterhin zu Umsatz und Marge bei Roeser beitragen und so im Gesamtergebnis  mehr Erlöse erwirtschaftet werden.

Werden weitere Klinikgruppen bundes­weit bzw. regional gut aufgestellte MT-Fachhandelsunternehmen übernehmen?
Die Wahrscheinlichkeit hierfür ist nach meiner Auffassung groß. Die jüngste Fusion kann eine zukunftsweisende Entwicklung markieren, sofern die Voraussetzungen stimmen, um den Beschaffungs- und Dienstleistungsbereich stärker zu professionalisieren. Und dabei spielt die Größe der Protagonisten nicht die alleinige Rolle. Denn auch in einer regio­nalen Struktur kann ich mir solche Zusammenschlüsse vorstellen, wenn, wie gesagt, die Rahmenbedingungen passen.

Wie schätzen Sie die Auswirkungen der Übernahme von Roeser durch die Sana auf das Geschäft der MT-Fachhandels-Unternehmen generell ein?
Von einem Paradigmenwechsel zu sprechen, ist vielleicht etwas übertrieben. Sicher ist aber, dass sich jetzt einige Krankenhäuser beim Einkauf neu orientieren werden. Wer kauft schon gern beim Mitbewerber? Für die nicht an die Sana gebundenen Einrichtungen werden sich sicher die Beschaffungswege ändern, und wir werden in der Branche vollkommen neue Beschaffungsstrukturen haben.

Auch die MT-Fachhandels-Verbund­grup­pen müssen sicher die eine oder ande­re damit verbundene geschäftsstrategische Frage stellen. Wo sehen Sie hier Handlungsbedarf?
Ich denke, die Verbundgruppen haben das Thema generell ganz gut im Griff. Viel entscheidender ist aber doch, dass nicht nur die Gruppen, sondern alle selbstkritisch hinterfragen müssen, ob ihre Ausrichtung noch zu den Marktgegebenheiten passt und welche Konsequenzen sie gegebenenfalls daraus ziehen müssen.

Sana sieht den Reiz der Übernahme in einer damit möglichen Erweiterung des eigenen Kerngeschäfts. Unter anderem spricht der Sana-Vorstandsvorsitzende Thomas Lemke davon, man wolle nun auch Geschäftsfelder rund um das Krankenhaus besetzen. Auf was muss sich der MT-Fachhandel einstellen?

Möglicherweise werden kleine und im Einkauf nicht organisierte Krankenhäuser neue Kunden.

Der Komplettanbieter im Gesundheitswesen – das hat in der Medizintechnik schon bislang nicht geklappt. Der Handel hat in der Regel dann gepunktet, wenn er sich auf seine Kernkompetenzen besonnen hat. Genau das sehe ich auch künftig für andere Anbieter als existenziell an. Abgesehen davon, dass Größe schnell träge macht. Also wird es besser sein, wenn sich der clevere Händler seine Nische sucht, die er jetzt gegebenenfalls auch neu besetzen kann.

Die Schwierigkeiten und Probleme, die Roeser hat, lösen sich doch durch den Sana-Einstieg nicht über Nacht in nichts auf. Hier wird sicher noch die eine oder andere Anpassungs- und Umsetzungshürde auftauchen.
Um auch künftig in diesem Marktsegment erfolgreich bestehen zu können, ist die Besinnung auf die Kernkompetenz das allerwichtigste. Profit wird künftig nur durch noch mehr Um- oder Neuorganisation im Unternehmen, nicht aber  durch reine Mengenausweitung/Akquise erreicht.

Sana betont, dass man die Roeser-Gruppe als eigenständiges Tochterunternehmen weiterführen will. Das wird die Unruhe unter Fachhändlern und Her­stellern sicher nicht dämpfen. Immerhin wird nun ein Fachhandels-Unter­nehmen mit selbst generiertem Kundenstamm und eigenständig erworbenen Preiskonditionen und Markt­anteilen in den Klinikkonzern aufgenommen.

Sicherlich ein heikler Punkt. Und der angesprochene Kundenstamm wird sich gerade auch deshalb verändern. Ich sehe das Geschäftsmodell Roeser durch die Übernahme im Kern infrage gestellt.
B- und C-Artikel-Geschäft, Herstellerneutralität, Eigenmarken und Management von Medizinprodukten bot Roeser bislang als typische Stärken der MT-Handelssparte in Eigenregie. Dieses Know-how – auch auf der Kunden- und Preisebene – wird die Sana nun bundesweit in die Waagschale werfen können.

Sind damit Verwerfungen im Klinikgeschäft nicht vorprogrammiert?

Es stellt sich die Frage, ob Roeser künftig unter eigenem Namen Artikel noch am Markt anbietet. Ich denke, dass eher die Verbundgruppen den Weg der Eigenmarken – noch stärker als bislang schon – beschreiten und diese in den Markt bringen werden. Veränderung bedeutet auch Chance. Und das Know-how, auch für solche Akti­vitäten, ist bei vielen Handels­unternehmen vorhanden.
Roeser verfügt bei B- und C-Artikeln über zahlreiche Eigenmarken.

Wie werden darauf Branchengrößen auf Herstellerseite, wie beispielsweise B. Braun Melsungen, reagieren?
Vielleicht hat ja B. Braun eine Strategie. Ich kenne sie bis dato jedenfalls nicht. Viel spannender wird aber doch sein, wie die Verbundgruppen oder Händlerkooperationen mit Eigenmarken umgehen.
Nun kommt aus Sana-Sicht eine hohe Transparenz ins Preisgeschehen, garniert mit wachsender Nachfragemacht.

Auf was wird sich die Lieferantenseite einstellen müssen?
Es dürfte im eigenen Interesse der Hersteller liegen, Transparenz ins Preisgeschehen zu bringen, also eine klare Positionierung vorzunehmen.

Wie stellen sich die Hersteller zu bestehenden und neu abzuschließenden Fachhandelsverträgen?
Ich glaube, dass die Hersteller erst einmal abwarten werden. Veränderungen bei Fachhandelsverträgen sind für mich aktuell nicht absehbar, da es den Herstellern an einer Strategie fehlt.

Bleibt Roeser Medical ein vollwertiger Fachhändler oder wird das Unternehmen künftig ein margenoptimierender Versorger der Sana?
Es läuft auf den Versorger für Sana hinaus. Das heißt aber nicht, dass bestimmte Aktivitäten oder Aktionen keine Marktunruhe entstehen lassen.
Roeser wird viel Energie aufbringen müssen, um sich auf die Vielzahl der neu zu bedienenden Sana-Häuser einzustellen. Warten wir mal die unausbleiblichen Umstrukturierungen bei Roeser ab, die erforderlich sein werden, um die Dienstleistungsausweitung auf die Fläche zu bewältigen.

Roeser hat in der Vergangenheit ja teilweise die Außendienst-Funktion für die Industrie übernommen. Wie wird sich das künftig darstellen?
Die große Herausforderung wird darin bestehen, die Position zu finden, die es erlaubt, die Sana-Häuser zu 100 Prozent abzudecken.
Und was den Außendienst angeht: Ich glaube, den wird es künftig bei Roeser nicht mehr in der klassischen Form geben. Ich tippe eher darauf, dass sich das Unternehmen innerhalb des Sana-Verbundes zum reinen Logistiker entwickeln wird.

Herr Drescher, danke für das Gespräch.

Foto: Karolina Grabowska/Pixabay
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