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13. Juli 2018
Redaktion
OTWorld 2018

Orthopädietechnik vor vielversprechender Zukunft

Wider seine Gewohnheit nutzte BIV-Präsident Klaus-Jürgen Lotz seine Begrüßungsrede anlässlich der Eröffnungsveranstaltung der OTWorld am 15. Mai in Leipzig nicht zu einer kritischen Abrechnung mit der aktuellen Hilfsmittelpolitik.

Mehr noch: Am Ende der Veranstaltung teilte er mit, dass er der OTWorld 2020 nach dann neunjähriger Amtszeit nicht mehr in seiner Funktion als BIV-Präsident beiwohnen wird. Nächster BIV-Präsident wird 2020 der derzeitige Vizepräsident Alf Reuter.

Lotz, der den BIV seit 2011 führt, hob den interprofessionellen Charakter der Veranstaltung zum Wohle der Patienten hervor und beschwor den „team spirit“, der bereits nach kurzer Zeit in Leipzig immer zu spüren sei. Kritische Töne zur Vertragspolitik der Kassen ließ er unter den Tisch fallen, vielmehr warb er „für mehr Respekt“ untereinander.

Foto: Leipziger Messe GmbH/Martin Klindtworth
Klaus-Jürgen Lotz, Präsident des Bundesinnungsverbandes für Orthopädietechnik

Erfolgsgeschichte

Martin Buhl-Wagner, Geschäftsführer der Leipziger Messe, betonte die Erfolgsstory der OTWorld. Dies spiegle sich u. a. auch in der wachsenden Internationalität und der Rekordzahl von mehr als 570 gemeldeten Unternehmen in drei Messehallen wider. Die hohe Innovationskraft der Branche zeige sich in den Bereichen Exoskelette und Handprothesen beispielhaft. „Hier ist nichts unmöglich“, attestierte er.

Als zentrale Herausforderung für die Orthopädietechnik sieht er die Digitalisierung. Auch Leipzigs Oberbürgermeis­ter Burkhard Jung verspricht sich von der digitalen Revolution immer noch bessere Hilfsmittel. Sie biete „großartige technische Möglichkeiten, um mit Hilfsmitteln Erleichterungen für Menschen zu schaffen“.

Interprofessionalität ist „in“

Unter dem Motto „Freude an der Bewe-gung und am Leben“ machte Kongress-präsident Prof. Dr. Volker Bühren deutlich, dass sich in den letzten 50 Jahren der interprofessionelle Gedanke im Rahmen der Versorgung von Verletzten mehr und mehr durchgesetzt hat. Die Chirurgie sei heute die Basis, an die sich eine interprofessionelle und interdisziplinäre Versorgung anschließe.

Auch wenn die Lebenserwartung und die Mobilität rasant zunähmen, bleibe nüch­tern zu konstatieren, dass der Mensch von der Natur her lediglich für 30 Jahre konzipiert sei. Hier schlage die Stunde der Orthopädie- und Orthopädieschuhtechnik.

Welche Herausforderungen damit zah-lenmäßig verbunden sind, machte er exem­plarisch an der Zahl von hüftgelenksnahen Frakturen deutlich. Lagen die Fallzahlen bei dieser Diagnose 1950 weltweit bei 1,66 Mio. p. a., rechnet man im Jahr 2050 mit 6,26 Mio. Betroffenen.

Foto: Leipziger Messe GmbH/Martin Klindtworth
Gruppenbild mit BIV-Präsident (M.): Für ihre Verdienste um die Orthopädie-Technik wurde PD Dr. Lutz Brückner (l.), Frank Jüttner (2. v. l.) und Kurt Pohlig (2. v. r.) im Rahmen der Eröffnungsveranstaltung mit der Heine-Hessing-Medaille die höchste Auszeichnung des Handwerks verliehen. Paul-Horst Weyda (r.) erhielt den Ehrenbrief mit Siegel

Mit Blick auf die Digitalisierungswelle mahnte er, die „komplett analoge“ Per-formance des Menschen nicht zu negieren: „Der Patient denkt und fühlt – trotz aller Digitalisierung.“ Er wünsche sich „mehr Respekt, mehr Neugier und mehr Demut“ mit Blick auf das, was hier passiere.

Orthopädietechnik vor neuen Herausforderungen

Unter der Leitung von Moderator Henning Quanz schloss sich an die Vorträge noch eine kurze Diskussionsrunde mit Klaus-Jürgen Lotz, Prof. Dr. Volker Bühren und ISOP-Präsident Prof. Friedbert Kohler an.

Mit Blick auf interprofessionelle Versorgungsformen machte Bühren klar, dass Hilfsmittelversorgung und Ortho­pädietechnik bei der Behandlung von Verletzungen schnell mit ins Boot geholt werden müssen. Lotz betonte im gleichen Tenor, dass nur echter Teamgeist den Erfolg interprofessionellen Handels sicherstelle. Es müsse ein „gemeinsam gelebter Prozess“ sein.

Beide betonten zudem, dass Deutschland im Bereich der Orthopädietechnik international eine Vorreiterrolle einneh­me und auch weiter halten könne. Lotz beklagte lediglich, dass es mit Blick auf den 230-Mrd.-Euro-Kuchen des deutschen Gesundheitssystems mit der Verteilung hapere.

Alle Diskussionsteilnehmer waren sich einig darin, dass die Digitalisierung die Qualität der orthopädischen Versorgung massiv vorantreiben wird. Bis in 10 Jahren erwartet etwa Prof. Köhler die volle Integration mechanischer Prothesen in den Körper. Prof. Dr. Bühren qualifiziert die funktionelle Entwicklung als bereits „sehr weit“ fortgeschritten. Aber der Mensch habe ein Körperbild von sich, das massiv gestört sei. Zudem nehme die Kompensationsfähigkeit im Alter ab.

 

MTD Medizintechnischer Dialog 06 / 2018

BIV-Präsident Lotz sieht die Chancen der Digitalisierung vor allem in vielerlei Prozessschritten, neuen Materialien und Technologien. Doch ebenso wie Bühren relativierte er, dass es sich immer um ganzheitliche Schädigungen bei Menschen handle. Man müsse verstehen lernen, was der Patient fühlt. Lotz: „Vom Cyborg sind wir noch ein paar Lichtjahre entfernt. Und das ist auch gut so.“

Kritisch sieht Lotz allerdings die aktuelle Ausbildungssituation in der OT, was die „miserable Bezahlung“ und die schlech­ten Karrierechancen angehe. Hier herrsche akuter Handlungsbedarf. Lotz schmerzt dieser Zustand zutiefst, sieht er im Berufsbild OT doch „einen der geils­ten Berufe der Welt“.

Foto: Karolina Grabowska/Pixabay
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