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15. Mai 2024
Redaktion
Innen- & Außendienst im Sanitätshaus

Nicht das ICH, sondern das WIR siegt!

Von Axel Ehrhardt

Ein wiederkehrendes Spannungsfeld und einen Dauerbrenner im Rahmen der Organisations- und Ablaufstrukturen eines Sanitätshauses stellen die Schnittstellen zwischen den einzelnen internen Abteilungen dar. Hier zeigt alleine schon die Definition „Abteilung“ eine der ersten Schwachstellen hinsichtlich einer schnittstellenübergreifenden Zusammenarbeit auf. Man teilt die Unternehmenseinheiten voneinander ab und verwässert somit die primäre Zielsetzung, nämlich kooperativ zusammenzuarbeiten. An Beispielen der beiden Business-Units „Innen- und Außendienst“ eines Sanitätshauses sollen im Folgenden die einzelnen Problemstellungen analysiert und Möglichkeiten für eine effiziente, wertschätzende und zielorientierte Zusammenarbeit aufgezeigt werden.
Foto: Peggy&Marco Lachmann-Anke/Pixabay

Die zum Teil täglich dramaturgischen Abläufe zwischen diesen beiden Abteilungen können u. U. enorm facettenreich und beliebig sein, der Wirkmechanismus jedoch ist sehr oft der gleiche und führt meist zu demselben Ergebnis: extrem demotivierend und störend bzw. hochemotional belastend.

Die Kausalitäten und die unterschiedlichsten Motivationen für die sehr oft perfekt vorgelebten Hasslieben bzw. Tiraden, die persönlich-verbalen Angriffe oder bewusst herbeigeführte Streik- und Blockade-Politik stehen immer wieder im Fokus der operativen Zusammenarbeit.Sie werden dabei unterschiedlich mental wahrgenommen, situativ gelebt und differenziert interpretiert. Woran lassen sich nun eigentlich diese diversen Ver­haltensmuster und Reaktionen festmachen?

Analyse

Die allgemeinen Gründe für ein schwach ausgeprägtes und unbefriedigendes Schnittstellen-Management können sehr heterogen und vielseitig sein:

  • Die Geschäftsführung vernachlässigt die grundsätzlichen Zielsetzungen, Abhängigkeiten und die Wertschätzungen eines vertrauensvollen Kooperationsmanagements,
  • die Disharmonien und Konflikte zwischen den einzelnen Abteilungen werden ohne generelle Interventionen eines Korrekturen- und Konsequenzen-Managements oder ohne Optimierungsprozesse im Unternehmen geduldet,
  • es findet eine Bevormundung oder Bevorzugung von entsprechenden Abteilungen im Unternehmen statt (z. B. Auseinandersetzungen um Ressourcen oder Budgetierungsabstimmungen etc.), die Konkurrenzdenken und Neiddebatten auslösen,
  • es fehlt eine klare einheitliche Unternehmensphilosophie bzw. Kooperations-, Kommunikations- und Führungskultur (z. B. eine interne und externe Corporate Identity),
  • eine effiziente interne Vernetzung der einzelnen Abteilungen und deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern miteinander wird nur marginal durch das verantwortliche Management realisiert und vorgelebt,
  • es existiert ein ausgeprägtes organisatorisch abgegrenztes Silo- bzw. nicht geteiltes Wissen-Denken zwischen den Abteilungen (z. B. „Ist nicht meine Aufgabe! Gehört in dein Ressort!“ etc.),
  • eine zu starke Segmentierung der einzelnen operativen Organisations- und Arbeitsschritte verhindert ein produktives Miteinander (z. B. Realisation einer Linienorganisationsstruktur etc.),
  • Dominanzstreben, Selbstoptimierung, Eitelkeit und Egoismus des Managements überlagern die eigentliche Zusammenarbeit (z. B. Hackordnung, Machtstreben etc.),
  • der Fokus auf Belohnung von individuellen Leistungsergebnissen anstatt übergreifender Team-Prämien oder sonstiger Benefits führt z. B. zu weiterem „Abteilungs-Denken“,
  • das Fehlen von nicht kongruenten Zielsystemen und/oder konträren Zielsetzungen bzw. Zielvereinbarungen reduziert ein zielorientiertes und effizientes Arbeitsergebnis,
  • unterschiedliche Mentalitäten, Wertevorstellungen oder verdeckte bzw. offene Animositäten der Team-Mitglieder im Außen- und Innendienst führen zwangsläufig zu fachlichen und persönlichen Differenzen.

Konsequenzen

Eins ist dabei sicher: Diese täglichen gelebten Situationen und Unverträglichkeiten in und zwischen den Abteilungen kosten das Sanitätshaus viel Spirit, Kraftaufwand bzw. Energie und können somit zu enormen Arbeits- und weiteren Produktivitätsverlusten führen.

Das Gefährlichste dabei ist: Das externe Sanitätshaus-Netzwerk – die Kundschaft sowie Patientinnen und Patienten – wird auf diese Diskrepanzen und Qualitätsverluste relativ schnell aufmerksam und beginnt anschließend bei jeder sich bietenden Gelegenheit die Streitparteien gegeneinander geschickt auszuspielen. Das kann z. B. durch Zusagen von häuslichen Lieferterminabsprachen durch den Innendienst oder fehlendes Feedback an den Außendienst über spontane Lieferschwierigkeiten des Herstellers etc. geschehen.

Die Konsequenz: Konflikte mit den einzelnen Kundinnen und Kunden nehmen zu, die allgemeine Unzufriedenheit wächst, die Reklamationsquote steigt, ein eventuell beträchtlicher Imageschaden ist vorprogrammiert.

Konflikte

Häufig stellt man dann fest, dass sich zwischen den beiden Abteilungen die persönlichen Konflikte und ein aggressives Verhalten manifestieren, aus dem es scheinbar keinen Ausweg mehr gibt, zumal die Missstimmungen und Missstände zwischen den beiden Bereichen zusätzlich eine sehr hohe Resistenz aufweisen.

Fehlt darüber noch hinaus das gegenseitige Verständnis für das jeweilige operative Arbeiten, dann fällt eine kommunikative und problemlösungsorientierte Verständigung bzw. Übereinkunft schwer und die jeweiligen Schäden sind vorprogrammiert.

Ein Beispiel: Der Innendienst (ID) sagt: „Die wissen ja überhaupt nicht, was hier drinnen alles abgeht!“ Der Außendienst (AD) sagt: „Die haben ja keine Ahnung, was es bedeutet, wenn der Kunde vier Wochen auf seinen Rollstuhl warten muss!“

An der Tagesordnung sind dann weitere Plattitüden wie vom AD: „Wann waren die schon mal bei einem Kunden vor Ort, die kennen den Markt ja nur von ihrem klimatisierten Büro aus!“ Und umgekehrt, der ID: „Die kennen ja noch nicht einmal richtig die einzelnen Verträge mit unseren Krankenkassen!“ Oder beiderseits: „Hier weiß die eine Hand nicht, was die andere tut!“ oder „Was soll ich denn noch alles für die machen. Die sollen sich selbst einmal endlich darum kümmern!“

Diese Spielwiesen des Misstrauens, der Nicht-Akzeptanz, der täglichen Grabenkämpfe, der Beleidigungen und der gegenseitigen Blockaden sind teilweise der Alltag im Sanitätshaus. Egal, in welcher Ausprägung die Kooperation und Harmonie zwischen Innen- und Außendienst leidet oder gestört ist, das Resultat ist immer das gleiche: Das Ganze kostet Zeit, belastet emotional und physisch die Menschen sehr stark, bringt Demotivation, induziert unglaublichen Stress bzw. Resignation und führt dann meistens zu inneren Kündigungsprozessen.

Im Endeffekt werden damit Effizienz und Produktivität im Sanitätshaus in erheblichem Umfang vernichtet.

Vorgehensweise

Werden die einzelnen Situationen im Unternehmen immer angespannter und belastender (s. o.), müssen die Warnsignale endgültig auf „Rot“ stehen, um gezielte Veränderungen, Anpassungen und Optimierungen unmittelbar in die Wege zu leiten.

Allerdings: Ein spontan angesetztes Kick-off, wie beispielsweise ein Team-Training im Hochgebirge, die Kanutour auf einem reißenden Gebirgsfluss, die Schnitzeljagd auf dem Land oder das Tauziehen auf dem Bauernhof, wird derartige Konflikte und Probleme primär nicht lösen können. Dies können eventuell sekundäre Aktionen und weitere Wahrnehmungsprozesse sein. Es geht primär erst einmal darum, die jeweiligen Kausalitäten, Fakten und Problemstellungen auf eine andere Art und Weise aufzuarbeiten.

Das bedarf einer grundsätzlichen Verhaltensänderung und persönlicher Akzeptanz aller Beteiligten. Deshalb ist es notwendig, alle direkt handelnden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – inklusive aller verantwortlichen Führungskräfte – ins Boot zu nehmen, um diese zur Reflexion und zum Umdenken zu bewegen.

Dabei sollte das Führungsverhalten hinsichtlich eines aktiven Schnittstellenmanagements immer darauf ausgerichtet sein, wo es grundsätzlich am meisten weh tut.

Um einen nachhaltigen Erfolg hinsichtlich der Zielsetzung „Innendienst + Außendienst = Kundendienst“ zu bewirken, müssen die Missverständnisse und die Differenzen offen kommuniziert, die unmittelbaren Konsequenzen und Auswirkungen auf das operative Arbeits- und Betriebsklima angezeigt und die Betroffenheit der jeweiligen Team-Mitglieder ernst genommen werden.

Dabei sollte es das Ziel sein, durch systematisch aufgebaute Coaching-Module, die mit professionellen didaktischen, gruppendynamischen Prozessen sowie sonstigen fachlichen Methoden einhergehen, lösungsorientiert die einzelnen Problemstellungen zu bearbeiten.

Ein paar Beispiele:

  • Was ist eigentlich mit uns in letzter Zeit passiert?
  • Wer und warum ist von uns im Einzelnen davon betroffen?
  • Welche Konsequenzen lassen sich daraus ziehen?
  • Bin ich bereit, mich zukünftig grundsätzlich und mental zu ändern?
  • Wie und worin werden wir uns (ich und das Team) zukünftig konkret anders verhalten?
  • Wie nehmen uns die Kunden im Sanitätshaus eigentlich zur Zeit wahr?
  • Welche Schritte und Maßnahmen sind nach der Reflexion zusammen einzuleiten und umzusetzen?
  • Wie verifizieren wir zukünftig die einzelnen Ergebnisse?
  • Wie feiern wir zukünftig gemeinsam unsere Erfolge?

Maßnahmen

Maßnahmen und Aktionen für eine erfolgreiche Zusammenarbeit und Unterstützung zwischen dem Innen- und Außendienst im Sanitätshaus können z. B. die folgenden sein:

  • Realisation von täglichen strukturierten und fokussierten Turbo-Meetings (z. B. akute Fall-Besprechungen, Stand der aktuellen Reklamationsquote, Work-flow-Optimierung etc.),
  • regelmäßige institutionalisierte und rotierende Begleitbesuche des ID mit dem AD bei Versorgungen und Akquise vor Ort (z. B. gemeinsame Hausbesuche, Klinikversorgungen, Arztkontaktpflege etc.),
  • Bildung von organisatorischen, regionalen Tandem-Teams (z. B. gemeinsame administrative und versorgungstechnische Betreuung aller Kunden vor Ort in einem definierten PLZ-Gebiet),
  • Aktion „Über-die-Schultern-schauen“ durch regelmäßige Hospitation beispielsweise des Außendienstes im Back-Office etc. (z. B. Austausch Krankenkassen-Vertragsmanagement, gemeinsame Kundenanalyse),
  • Call-Center-Aktion des ID für den AD (z. B. Aftersales oder Betreuungsaktionen von selektierten C- und D-Kunden),
  • Bildung von gemeinsamen Projektgruppen (z. B. Definition und Maßnahmen von gemeinsamen Verkaufs- und Servicezielen pro Quartal),
  • „Gemeinsam zum Erfolg!“ durch Etablierung von gemeinsamen ID/AD-Team-Prämien bzw. attraktiven Incentives.

Ausblick

Es ist zu beachten, dass gegenseitige Wertschätzung und Verständnis der jeweils bisher geleisteten Arbeit Grundvoraussetzungen sein müssen, um eine Annäherung und eine Verhaltensänderung einzuleiten. Es hilft auch hier wenig, die Problematik ausschließlich auf die betroffenen Mitarbeiter abzuwälzen, nach dem Motto: „Die sollen sich eben mehr zusammenraufen und verstärkt an ihre Kunden denken“.

Oft ergibt sich durch eine professionelle Aufarbeitung der Probleme die Möglichkeit, Arbeitsabläufe, Inhalte und Vorgehensweisen zu überdenken. Wenn Mitarbeiter die Gelegenheit wahrnehmen, sich persönlich kreativ einbringen zu können und dabei erkennen, dass ihre fachliche Meinung und ihre Erfahrungspotenziale gefragt sind, dann sind sie auch meistens bereit dazu, innovative Wege einzuschlagen und mitzutragen.

Gute Zusammenarbeit zwischen Innen- und Außendienst wird u. a. belohnt durch Wertschätzung, Harmonie und Stolz auf den gemeinsamen Erfolg. Denn nur eines ist wichtig: „Nicht das ICH siegt, sondern das WIR siegt!“ Oder: „Einer für alle und alle für einen!“

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Foto: Karolina Grabowska/Pixabay
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