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3. August 2022
Redaktion
MRD

Die Medtech-Branche ist gefordert

Erhard Fichtner, Vorstandsvorsitzender der German Health Alliance (gha)
Die EU-Medizinprodukteverordnung MDR ist Gegenstand intensiver Diskussionen in der Branche. Vor allem für die exportgetriebene und mittelständisch geprägte deutsche Medtech-Branche birgt die MDR zahlreiche Herausforderungen und Risiken. Nachbesserungen auf EU-Ebene sind nötig.
Foto: German Health Alliance
Sieht die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen infolge der MDR bedroht: Erhard Fichtner, Vorstandsvorsitzender der German Health Alliance. Foto: German Health Alliance

Die seit Mai 2021 geltende Medical Device Regulation (MDR) wurde neu gestaltet, um ein einheitliches europäisches Recht für Medizinprodukte zu schaffen. Sie legt die Zulassungskriterien fest, nach denen Produkte in den Markt gebracht werden können. Die Patientensicherheit ist insbesondere nach dem Silikonimplantat-Skandal im Jahr 2010 ein Auslöser der neuen Regulierung, aber der Wunsch nach einem optimal regulierten Binnenmarkt für Medizinprodukte ist diesem sicherlich vorausgegangen.

Von dieser neuen MDR geht jedoch eine Gefahr für die gesamte Medtech-Branche in Deutschland aus. Ein großer Teil dieser oft mittelständischen Unternehmen ist in der German Health Alliance (GHA) vertreten, daher haben wir einen aktuellen und genauen Blick auf die Situation.

Die GHA und andere Branchenverbände wie Spectaris, BVMed oder ZVEI fordern substanzielle und umsetzbare Verbesserungen in der neuen MDR.

Die Gefahren der MDR und ihre Folgen
Die MDR-Richtlinie schränkt die Chancen deutscher Medtech-Hersteller im internationalen Wettbewerb deutlich ein. Der enorme Aufwand, der erforderlich ist, um die neuen Vorschriften einzuhalten widerspricht dem effektiven Inkrafttreten der Verordnung im Jahr 2024.

Dies betrifft vor allem kleine und mittelständische Unternehmen, die schnell an ihre Kapazitätsgrenzen stoßen. Tatsächlich ist es nicht möglich, alle Produkte vor Ablauf der gesetzten Frist im Jahr 2024 zu rezertifizieren. Ein unerfreulicher Nebeneffekt: Gerade schnelle Innovationen werden so verhindert.

Hier muss die Politik eine klare Zwischenlösung oder Änderung schaffen, denn mehr als 66 Prozent der Medizinprodukte der deutschen Medtech-Industrie sind für den Export zugelassen.

Relevante Behörden, Zertifizierungsstellen („Benannte Stellen“) und die gesamte Übergangskette sollten so aufgebaut und ausgebaut werden, dass die MDR-Vorgaben und -fristen umsetzbar sind. Dies ist bisher nicht erfolgt.

Insbesondere aufgrund der knappen vorhandenen Kapazitäten auf Zertifizierungsseite können diese medizintechnischen Volumina den notwendigen Zulassungsprozess nicht durchlaufen.

Mit unserem Engagement innerhalb der GHA wollen wir auch dafür sorgen, dass bestehende Produkte und Nischenprodukte dem medizinischen Markt weiterhin zur Verfügung stehen. Dies ist von entscheidender Bedeutung – nicht nur für die Patientenversorgung, die auf bewährte medizinische Versorgung angewiesen ist, sondern auch für die Zukunftsfähigkeit unserer Branche.

Deutsche Medtech-Hersteller und die MDR-Situation
Den neuen hohen und zeitraubenden MDR-Vorgaben steht auch ein Fachkräftemangel gegenüber, den wir in der Medtech-Branche schon länger beobachten. Heutzutage werden immer mehr Personal und vor allem Experten benötigt, um die Zertifizierungsprozesse durchzuführen. Einige Unternehmen lösen dieses Problem, indem sie Mitarbeiter aus den Entwicklungs- und Forschungsprozessen herausnehmen und für Zertifizierungsprojekte einsetzen.

Dies führt jedoch zu einer Stagnation in puncto Innovations- und Produktentwicklung, was für die Unternehmen kontraproduktiv ist, die den hohen Stellenwert der „Medizintechnik Made in Germany“ etablieren wollen.
Bestehende Übergangsbestimmungen der Medizinprodukteverordnung und alle bisherigen Zertifizierungen laufen im Mai 2024 aus. Unsere spezifischen Forderungen lauten wie folgt:

Die aktuellen und geltenden MDR-Vorschriften erfordern Übergangslösungen, die für erreichbare Fristen und die tatsächlich vorhandenen Kapazitäten relevant sind. So könnten Lieferstopps bei Kleinserien und sogenannten Nischenprodukten vermieden werden.
Die unverzichtbare europäische Datenbank für Medizinprodukte, EUDAMED, muss baldmöglichst komplettiert und vollständig zur Verfügung gestellt werden.
Es gibt aktuell nicht genügend „Benannte Stellen“, d. h. Stellen, die befugt sind, die erforderlichen Prüfungen und Zertifizierungen durchzuführen, was zu einem enormen Rückstand an Zertifizierungen führt. Diese Stellen müssen zeitnah aufgestockt werden.
Die verantwortlichen Gesundheitspolitiker in Deutschland müssen diese wichtigen Punkte auf EU-Ebene einbringen und alle Kraft daran setzen, dass dies rechtzeitig umgesetzt werden kann.

GHA unterstützt deutsche Medtech-Industrie
Unabhängig von Produktbereichen und Unternehmensgrößen schätzen wir durch die Vorgaben der MDR die Verfügbarkeit deutscher Medizinprodukte rückläufig. Das mögliche Geschäftsschließungs- oder Übernahme-Szenario muss aus Sicht der GHA unbedingt vermieden werden.

Zur Stärkung der Unternehmen hat sich daher in der GHA der Arbeitskreis „Regulatory Ark“ gegründet. Hier bieten Unternehmen gegenseitig den Austausch von Erfahrungen und Fähigkeiten nach dem sogenannten „Knowledge-Sharing“ an. Mit dem Appell an Entscheidungsträger in Brüssel setzt sich der Arbeitskreis für das Thema ein und fordert zeitnahe Entscheidungen und ein Umdenken des MDR-Konzepts.

Die deutsche Gesundheitsindustrie muss wettbewerbsfähig und innovativ bleiben. Sie bildet eine wichtige und zukunftsfähige Säule der deutschen Wirtschaft.

Die GHA engagiert sich aktiv, um diese wichtige Säule der globalen Gesundheitsversorgung zu erhalten. Maßnahmen zur Unterstützung des Mittelstands in der Branche, insbesondere konzeptionelle Verbesserungen der MDR, sollten von Deutschland auf EU-Ebene eingebracht und dort umgesetzt werden.

 

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Foto: Karolina Grabowska/Pixabay
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