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26. März 2019
Redaktion

Die große Mauer überwinden

(03/2019) Für viele ist es ein Massenmarkt mit sieben Siegeln: China. Gewusst wie, sind die Marktvorgaben hinter der großen Mauer allerdings durchschau- und handelbar. Stefan Fischer, der früher für Siemens in China arbeitete, stellte beim Medica Tech Forum als Geschäftsführer der Cisema (China Service Management) mit Standorten in Planegg bei München, Hongkong, Peking, Qingdao, Hangzhou und Shenzhen die Grundzüge für den Zugang von Medizinprodukten auf dem chinesischen Markt vor. Dieser wachse jährlich um rund 20 Prozent.

Maßgeblich für Produkte der Klassen II und III ist die Zulassungsbehörde CFDA. Sie hat 2017 mehr als 8.900 Produkte registriert (+3,1 % zu 2016). Darunter waren 37 Prozent chinesische Produk­te der Klasse III sowie importierte Produkte der Klasse II (32 %) und III (31 %). Die Top-5-Produktgruppen waren Implantate, optische Produkte/Endoskope, Dental, medizinische Polymer-Produkte und Medizingeräte.
Laut Fischer will die Nation mit dem Plan „Made in China 2025“ zum High­tech-Medizinsektor des Westens auf­schließen. Bislang habe sich diese Strategie noch nicht auf das Verhältnis von importierten und national hergestellten Medizinprodukten ausgewirkt. Deutschland liegt bei den Auslandszulassungen mit 827 Produkten auf Rang 2 hinter den USA (1.469) und ist gleichzeitig doppelt so stark wie Japan (404). Zusammen mit Großbritannien und Südkorea erreichen die fünf Länder einen Anteil von 70 Prozent an zugelassenen importierten Medi­zinprodukten.

Zulassungsbehörden

Maßgeblich für die Zulassungen ist die zentrale Stelle der SAMR State Adminis­tration for Market Regulation. Medizinprodukte stellen u. a. neben Diagnostika und Pharma nur eine Produktgruppe dar, für die wiederum die SDA State Drug Admi­nistration zuständig ist, die diese Aufgabe von der CFDA übertragen bekommen hat. Der Superbehörde SAMR wiederum obliegt nicht nur die Markt­auf­sicht sowie Überwachung und Verwaltung der Produktqualität, sondern auch die Inspektion und Prüfung der Produktionsstandorte in China.
Laut Fischer können Risikoklassen der europäischen Medizingeräterichtlinie in der Regel den chinesischen Klassen wie folgt zugeordnet werden: Während EU-Klasse I in den meisten Fällen China- Klasse I ist, können die EU-Klasse IIa in China zu I oder II gehören, EU IIb zu China II oder teilweise III, in Klasse III sind die beiden Systeme sehr häufig deckungsgleich.
Im August 2018 ist zudem ein neuer Klassifizierungskatalog (2017) in Kraft getreten. Demnach ist für Klasse-I-Produkte das Zertifikat der Notifizierung unbegrenzt gültig. Für die Notifizierung seien rund zwei Monate zu veranschlagen. Klasse-II- und -III-Produkte müssen regis­- triert werden, was bis zu zwei Jahre dauern könne; die Registrierung muss nach fünf Jahren verlängert werden.
Und genau darin liegt lauft Fischer ein Knackpunkt: Die Verlängerung sollte spätestens sechs Monate vor Auslaufen der Registrierung beantragt werden. Am besten plane man anderthalb Jahre Vorlaufzeit ein. Problematisch sei nämlich der Fall, dass eine Lücke zwischen dem Ablaufdatum des ursprünglichen Zertifikates und dem Ausstellungsdatum des ­neuen Zertifikates entsteht, weil für die Re-Registrierung Produkttests aufgrund von geänderten Normen erforderlich werden.
Dann seien sechs Monate, die zwar rein formal von der CFDA als Vorlaufzeit für eine Verlängerung anerkannt werden, für die tatsächliche Verlängerung mit Tests nicht ausreichend.
In diesem Fall dürfen nur noch Geräte, die vor dem Ablaufdatum des ursprünglichen Zertifikates hergestellt worden sind, in China vertrieben werden. Ob ein Import von Geräten, die vor diesem Termin hergestellt worden sind, nach dem Ablaufdatum des ursprünglichen Zertifikates möglich ist, könne leider nicht gesagt werden. Die Variante, dass man die Geräte vor dem Ablaufdatum des ursprünglichen Zertifikates importiert, wäre wasserdicht, aber u. U. nicht zwingend erforderlich.
Ein beschleunigtes Verfahren sei seit 2014 für „innovative Geräte“ möglich. Doch angesichts von nur zwölf zugelassenen Anträgen im Jahr 2017 werde deutlich, dass dies eher einen Ausnahmefall darstelle.

Tochter, Berater oder Vertriebspartner

Ganz praktisch kann die Zulassung von Medizinprodukten in China nur durch eine dort ansässige juristische Person erfolgen. Für Registrierung, Betreuung der Tests und den Kontakt zu Behörden brauchen ausländische Hersteller entweder ein eigenes Tochterunternehmen, einen Vertriebspartner oder ein professionelles Beratungsunternehmen als „Legal Agent“.
Bei der Wahl eines Distributors müsse man sich bewusst sein, dass das ausländische Unternehmen ohne diesen Produkte nicht importieren oder das Zertifikat nicht ändern bzw. verlängern könne. Ein Beratungsunternehmen stelle dagegen eine neutrale Lösung dar und ermögliche Unabhängigkeit für künftige Entscheidungen.

Marktüberwachung

Stefan Fischer stellte auch die Grundzüge der im August veröffentlichten CFDA-­Regularien zur Marktüberwachung und zu unerwünschten Vorkommnissen vor. Hier sei der Hersteller konstant in der Pflicht, Risiken zu bewerten und Vorkommnisse zu überwachen. Außerdem müsse er ggf. die Sicherheit der Produkte so schnell wie möglich wieder herstellen. Anfang 2018 ist zudem eine technische Richtlinie zur Cyber-Sicherheit von Medi­zinprodukten in Kraft getreten.
Ausführlich informierte der Referent auch über die Teststandards, die in China Guobiao (GB) heißen. Dabei seien sich die beiden Standards IEC 60601-1:2005 in Europa und GB 9706.1-2007 relativ ähn­lich und zu rund 85 Prozent deckungsgleich. Testmuster können steuerfrei nach China importiert werden und sechs Mona­te in China verbleiben (plus Verlängerungsoption von sechs Monaten).
Allerdings seien nicht für alle Produkte klinische Tests notwendig, z. B. wenn es vergleichbare in China bereits zugelassene Produkte oder bereits ausreichende klinische Daten gibt, die zudem nicht unbedingt in China erhoben werden müssen. Außerdem gibt es eine Liste von Produkten, die keine Tests für die Zulassung benötigen, auf der aktuell rund 1.200 Klasse-II- und -III-Produkte aufgeführt sind.

Regeln für Namen

„Äquivalente Produkte“ müssen einen gleichen chinesischen Grundnamen („com­mon name“) haben. Dieser besteht aus gleicher Produktstruktur und -Konfiguration, gleichen Funktionen und gleicher Wirkungsmechanik sowie gleichen vorgesehenen Anwendungen und Kontraindikationen. Auch die Nennung des Firmennamens ist seit Juli klar geregelt. So muss der Hersteller seinen chinesischen Firmennamen für alle CFDA-Zulassungen verwenden, er muss aber nicht dem Originalfirmennamen genau entsprechen.
Medizinprodukte oder deren Verpa­ckungen müssen zudem ein chinesisches Etikett tragen. Klar geregelt ist auch der Mindestinhalt der Etikett-Texte. Es dürfen auf dem Etikett auch keine plakativen oder werblichen Aussagen, Versprechen oder Empfehlungen aufgedruckt sein.

Gebühren-System

Grundsätzlich sind die Zulassungsgebüh­ren für importierte Produkte ungefähr doppelt so hoch wie für inländische Produkte. Für Klasse III ist es zudem rund 50 Prozent teurer als für Klasse II. Dabei kosten Verlängerungen der Zulassung rund zwei Drittel weniger als Neuzulassungen. Gerade deshalb sei es wichtig, Verlängerungen sehr frühzeitig zu beantragen, riet Fischer.
Als Ausgleich für die höheren Gebühren werden bei ausländischen Werken keine Inspektionen durchgeführt, die im Inland dagegen regelhaft stattfinden. Wie der Marktexperte ausführte, sind alle Mitarbeiter und die CFDA zur Geheimhaltung der Produktdetails verpflichtet. Damit solle der Furcht vor „Raubkopien“ oder Ideendiebstahl vorgebeugt werden.
Fischer stellte auch die acht wichtigs­ten Branchenmessen in China vor und verwies auf den Medizintechnik-Indus­trieverband CAMDI, der über 4.000 Mitgliedsunternehmen habe.

Foto: Karolina Grabowska/Pixabay
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