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17. Mai 2019
Redaktion
EU-MDR in der Praxis

Auch der Medizintechnik-Fachhandel ist gefordert

Die Zentralvereinigung medizin-technischer Fachhändler, Hersteller, Dienstleister und Berater (ZMT) hatte Hans-Peter Bursig, Geschäftsführer des ZVEI-Fachverbandes Elektromedizinische Technik, eingeladen, um auf den ZMT-Info-Tagen vom 22. bis 23. März in Hamburg über die Auswirkungen der EU-Medizinprodukte-Verordnung (MDR) auf den medizintechnischen Fachhandel zu berichten. Es stellen sich neue Aufgaben, wenngleich die Auswirkungen auf den Fachhandel bei Weitem nicht so stark wie auf die Hersteller sind.
Foto: Deniz Anttila/Pixabay

Die alte EU-Medizindirektive und damit das im Rahmen der nationalen Harmonisierung verabschiedete Medizinproduktegesetz werden am 26. Mai 2020 ihre Gültigkeit verlieren. Ab diesem Zeitpunkt gelten nur noch die Anforderungen der EU-Medizinprodukte-Verordnung (MDR). Bis zu diesem Zeitpunkt müssen alle Medizinprodukte ein Konformitätsbewertungsverfahren nach den neuen Regelungen der MDR durchlaufen haben.

Grundsätzlich gibt es strengere Anforderungen an die klinische Bewertung und klinische Prüfung der Produkte, neue Klassifizierungsregelungen mit besonderen Konformitätsbewertungsverfahren. So sind z. B. wiederverwendbare chirurgische Instrumente in eine Klasse Ir eingeordnet. Bisher mussten die Hersteller keine Benannte Stelle einschalten, nun ist dies für das anzuwendende Sterilisierungsverfahren aber notwendig.

Weiter gibt die MDR ein neues Regis­trierungsverfahren für Produkte in der Datenbank Eudamed vor. Jedes Produkt muss eine eigene Identifizierungsnummer haben (UDI). Die Hersteller haben auch neue Berichtserfordernisse im Rahmen der Marktbeobachtung und höhere Anforderungen an die Dokumentation der Produkte zu erfüllen.

Bursig berichtete im Zusammenhang mit den verschärften Bestimmungen für die klinische Prüfungen und Studien über die Ergebnisse einer Umfrage, die verdeutlicht, dass die Hersteller viele Pro­dukte und Produktvarianten nicht mehr anbieten werden, weil der Aufwand in keinem Verhältnis mehr zu den Verkaufs­erlösen steht. Er stellte allerdings klar, dass für Klasse-I-Produkte keine klinischen Studien nötig sind.

Unterschiedliche Anforderungen an die Marktteilnehmer

„Um ihre künftigen Aufgaben einordnen zu können, müssen sich die Wirtschafts­akteure zunächst aber über ihre Markt­rolle im Klaren sein“, meinte Bursig. Zu differenzieren ist zwischen Herstellern, Bevollmächtigten, Händlern und Personen, die Produktmodifikationen wie Produktkombinationen vornehmen und als System oder Behandlungseinheiten in den Verkehr bringen. Hersteller, die ihren Sitz außerhalb der EU haben, müssen einen registrierten Bevollmächtigten in der EU haben. Dieser haftet z. B. bei Schäden durch fehlerhafte Produkte gesamtschuldnerisch.

Der Importeur von Produkten außerhalb der EU muss kontrollieren und sicher­stellen, dass er nur solche Produkte in Verkehr bringt, die den Anforderungen der MDR entsprechen. Bei nicht konformen Produkten muss er selbst aktiv werden. Er muss auch die notwendigen Lager- und Transportbedingungen sicher­stellen. Weiter müssen Importeure dem Produkt die eigenen Kontaktdaten beifügen und ein Register über Beschwerden führen, das mit dem Vigilanz-System des Herstellers verknüpft ist.

Foto: MDR
Hans-Peter Bursig erläuterte die MDR-Pflichten für den Fachhandel

Die Händler haben darauf zu achten, dass die von ihnen verkauften Produkte vollständig dokumentiert und gekennzeichnet sind. Wie der Importeur muss auch der Händler bei nicht konformen Produkten selbst aktiv werden und auch ein Beschwerde-Register führen, das wiederum mit dem Vigilanz-System des Herstellers verknüpft ist.
Wer Systeme oder Behandlungseinheiten in den Verkehr bringt, muss eine entsprechende Erklärung abgeben. Diese Firma/Person ist auch für eine eventuell notwendige Sterilisation verantwortlich.

Entspricht ein kombiniertes System oder eine Behandlungseinheit nicht den Vorgaben der Hersteller oder enthält es Teile ohne CE-Kennzeichnung, dann ist der Inverkehrbringer den Pflichten eines Her­stellers unterworfen. Es muss eine Konformitätsbewertung vorgenommen werden. Handelt ein Händler mit Produkten eines Herstellers mit Sitz in der EU, dann ist er als Bereitsteller auf dem Markt ein reiner Händler.

Das heißt aber, dass er mit dem Hersteller enger zusammenarbeiten und bei der Marktüberwachung mitwirken muss. Wenn es sich um Medizinprodukte von außerhalb der EU handelt, dann muss geklärt sein, wer Bevollmächtigter und Importeur ist. Gegebenenfalls muss der Händler auch deren Aufgaben gesamtschuldnerisch überneh­men.

Gelungene Tagung

Ist OEM ein Auslaufmodell?

Die vollen Hersteller-Pflichten hat ein Händler auch, wenn er sich von einem OEM-Hersteller Produkte herstellen lässt, die er unter eigenem Namen in den Verkehr bringt (Private Label). Dies kann nur umgangen werden, wenn der OEM als Hersteller ebenfalls auf dem Produkt genannt ist.

Wenn der OEM nicht angegeben ist, dann muss der Händler als PLM (Private Label Manufacturer) eine vollständige technische Dokumentation einreichen und pflegen. „Dies kann dazu führen, dass der OEM Produktgeheimnisse preisgeben muss. „Zwar wird derzeit über verschiedenen Möglichkeiten diskutiert, wie z. B. Treuhänder-Lösungen, das bisherige OEM-System wird aber wohl kaum Bestand haben“, prognostizierte Bursig.

Zweckbestimmung, Rück­verfolgung, Vorkommnisse

Die vollen Hersteller-Pflichten muss ein Händler auch übernehmen, wenn eine Änderung der Zweckbestimmung eines bereits in Verkehr befindlichen Produkts vorgenommen wird oder eine Änderung Auswirkungen auf die Konformität haben könnte. Bestimmte Tätigkeiten eines Händ­lers, wie z. B. Umverpackungen brin­gen zwar keine Hersteller-Pflichten, erfordern aber ein Qualitätsmanagementsystem und müssen dem Hersteller und den Behörden gemeldet werden.

Im Rahmen der Identifizierung und Rückverfolgbarkeit muss ein Händler mit dem Hersteller oder dem Bevollmächtigten zusammenarbeiten. Den zuständigen Behörden müssen sie Auskunft geben können, an welche Wirtschaftsakteure sie ein Produkt direkt abgegeben haben oder von welchen sie ein Produkt bezogen haben. Auch müssen die Endkunden benannt werden können.

Die Marktüber­wachung muss systematisiert und Teil des QM-Systems sein. Bei Vorkommnissen muss ein Wirtschaftsakteur, der Herstellerpflichten hat, eine Bewertung vornehmen und ggf. Korrekturmaßnahmen durchführen und kontrollieren. Er muss den Behörden die Dokumentation und relevante Unterlagen zur Verfügung stellen.

Foto: Karolina Grabowska/Pixabay
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