8. Symposium für das Krankenhausmanagement: Beschaffung hat
Und wollen das alle überhaupt? Das 8. P.E.G.-Symposium für das Krankenhausmanagement Ende April in München machte zumindest deutlich, dass ressortübergreifendes Denken und Handeln auch beim Einkauf mehr und mehr an Einfluss gewinnt. „Beschaffung ist Mannschaftssport“ – ein Bonmot der Tagung, das in die richtige Richtung weist.
Anton J. Schmidt, Vorstandsvorsitzender der P.E.G. eG, schärfte in seinem Eingangs-Statement zunächst den Blick für die gegensätzlichen Positionen von Kostenträgern und Krankenhäusern, die sich mit Blick auf die angespannte ökonomische Situation im Gesundheitswesen gegenüberstehen.
Anton J. Schmidt (P.E.G.) schärfte den Blick für das Spannungsverhältnis Ökonomie und Effizienz im stationären Bereich.
Keine unversöhnlichen Positionen
Die Kostenträger haben aus ihrer Warte viel am bundesdeutschen Kliniksektor zu kritisieren. Stichworte: zu viele Krankenhäuser, mangelnde Versorgungsqualität, zu geringer Digitalisierungsgrad, ungelöste Mindestmengenthematik, zu lasche Kontrollen durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) und zu geringer Sparwille.
Die auf der Anklagebank sitzenden Krankenhäuser, so Schmidt, kontern entsprechend: Alle stationären Einrichtungen sind nötig, die Versorgungsqualität war noch nie besser, für mehr Digitalisierung fehlt das Geld, über Mindestmengen kann man reden (allerdings nur auf Basis wissenschaftlich fundierter Kennzahlen), mehr Vertrauensvorschuss statt Kontrolle und die Krankenkassen horten Geld, anstatt es in die Qualität der Patientenversorgung zu investieren. Wie diesen gordischen Knoten also zerschlagen? Die Referenten präsentierten partiell erfolgversprechende Lösungsansätze.
Krankenhäuser sehen sich in der Defensive
Die neue Bundesregierung – und allen voran der neue Bundesgesundheitsminister Jens Spahn – hat es eilig, so Dr. Rudolf Kösters, Ehrenpräsident der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG). Ein erstes Vorabgesetz soll noch vor der parlamentarischen Sommerpause kommen. „Ein ehrgeiziger Plan“, so Kösters. Zentrale Punkte sind u. a. die Herstellung der Parität der GKV-Finanzierung und eine Absenkung des Beitragssatzes („GKV-Versichertenentlastungsgesetz“). Allein hier gehe es um ein Volumen in Höhe von mehreren Milliarden Euro, die dem GKV-System unterm Strich also fehlen werden.
Nicht zuletzt auch wegen der DRG-Systematik müssen sich aus Sicht von Dr. Rudolf Kösters (DKG) viele Krankenhäuser warm anziehen.
Was man sicher weiß, aus Sicht der Krankenhäuser, lasse sich aus dem Koalitionsvertrag und aktuellen G-BA-Beschlüssen ablesen. Ein zentraler Baustein sei hier der „Stationäre Notfallstufenkonzept-Beschluss“, der in diesem Jahr verabschiedet wurde. Das dreistufige Konzept umfasst u. a. folgende medizintechnisch relevanten Vorgaben:
Stufe 1: Basisnotfallversorgung; u. a. Intensivstation mit mind. sechs Betten, davon mind. drei Beatmungsplätze
Stufe 2: erweiterte Notfallversorgung; u. a. 10 Intensivbetten, alle mit Beatmungsmöglichkeit
Stufe 3: umfassende Notfallversorgung; 20 Intensivbetten, alle mit Beatmungsmöglichkeit
In diesem Zusammenhang sei vor allem der aktuelle G-BA-Beschluss zur Notfallversorgung prekär. Danach fällt künftig gut ein Drittel der Krankenhäuser aus der Notfallversorgung heraus, gleichbedeutend mit Abschlägen auf Basis der DRG-Systematik. In Zahlen heißt das: Von 1.748 Krankenhäusern erhalten nur noch 1.120 die entsprechenden Zuschläge, 628 Krankenhäuser erhalten keine Zuschläge bzw. eher Abschläge. Kösters sieht hier einen „harten Verteilungskampf“ auf die stationären Einrichtungen zuschwappen, da die Abschläge wieder zu Zuschlägen an anderer Stelle werden. Er warnte in diesem Zusammenhang sogar vor einer „Spaltung der Krankenhauslandschaft“.
Verschärfend komme hinzu, dass das Deutsche Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) jüngst und unerwartet den Operationen- und Prozedurenschlüssel (OPS) als zentrale Grundlage des pauschalierenden Entgeltsystems G-DRG komplett neu durchdefiniert habe. Kösters: „Damit verbunden sind Riesenverluste für die Krankenhäuser im Abrechnungsprozess. Es kommt zu Abschlägen, Veränderungen von bis zu 20 Prozent.“
Beim Thema Digitalisierung sieht er, nüchtern betrachtet, derzeit „viel Stückwerk“ im Kliniksektor. Es sei eine nationale Anstrengung nötig, sonst laufe das Ganze ins Leere. Sauer stößt ihm auch die „unsägliche Entwicklung der MDK-Prüfungen an Krankenhäusern“ auf, für ihn auch Spiegelbild einer „gewachsenen Misstrauenskultur“. Dem MDK gehe es in erster Linie darum, Ambulantisierungspotenzial auszuloten und die Verweildauer zu checken.
Die geplante Herausnahme der Pflegekosten aus dem DRG-System bzw. die angezettelte Diskussion darüber wertet er als „weiteren Sargnagel für das DRG-System“. Kösters favorisiert mittlerweile ein Mischsystem, bestehend aus leistungsfinanzierter Finanzierung und Vorhaltefinanzierung.
Wie verortet sich der Arzt in der Medizinprodukte-Welt?
Wirtschaftliche Leistungserbringung ist auch für ihn als Mediziner selbstredend, so Prof. Dr. med. Christoph-Thomas Germer, Direktor der Chirurgischen Klinik und Poliklinik Universitätsklinikum Würzburg. Gleichwohl betonte er in München, dass für ihn klar die Parameter optimale Patientenversorgung, Medizin auf dem aktuellen Stand und Patientenzufriedenheit einen höheren Stellenwert haben.
Er erwarte als Mediziner, dass die Logistik alle nötigen Ressourcen zum Zeitpunkt der Leistungserbringung bereitstellt. Auch ihm ist die wachsende Rolle des Supply-Chain-Management bewusst.
Mit Blick auf die DRG-Systematik dürften die relevanten Materialkosten die vorgegebene Deckelung nicht überschreiten. Gleichzeitig müsse das am Ende georderte Verbrauchsmaterial aber qualitativ gut sein. Dem Vorstand eines Krankenhauses müsse klar vermittelt werden, dass billigere Produkte nicht per se den Profit erhöhten.
Auch der Mediziner schaut auf den Preis, aber Produkt- und Versorgungsqualität dürfen darunter nicht leiden. Klare Botschaft von Prof. Dr. med. Christoph-Thomas Germer (Uni-Klinikum Würzburg).
Grundsätzlich müsse sich der Arzt, was Verbrauchsmaterialmengen und -raten angeht, eng mit der Pflege, dem Einkauf und dem Controlling abstimmen. Der Teamgedanke müsse hier gelebt werden: „Einseitige Vorgaben-Diktate von Einkaufsseite, das geht nicht.“ Nötig sind aus seiner Sicht ganzheitliche Beschaffungsprozesse, bei denen es dem Klinikeinkauf gelingt, medizinische Qualität und Ökonomie unter einen Hut zu bringen.
Beschaffung ist Mannschaftssport
Dieser Ansicht ist Dr. Josef Düllings, Präsident des Verbandes der Krankenhausdirektoren Deutschlands (VKD). Allerdings sind die Protagonisten noch nicht so weit, gab er zu. Typisch sei derzeit eher noch das „Doppelpass-Zusammenspiel“ Chefarzt/Einkauf. Das ist aus seiner Sicht nicht effektiv, vielmehr müssten weitere Akteure gleichberechtigt, also auf Augenhöhe, eingebunden werden, allen voran die IT und die Geschäftsführung.
In diesem Sinne plädierte er vehement für ein evidenzbasiertes Klinikmanagement, analog zur evidenzbasierten Medizin. Die operative Beschaffung müsse alle beteiligten Akteure einbinden. Die strategische Ebene wiederum müsse u. a. ein proaktives Innovations-Scouting beherzigen und konsequent Wettbewerbs- und Chancen-Analysen liefern. Düllings: „Die Geschäftsführung muss markt- bzw. versorgungsrelevant verwertbare Zahlen vorliegen haben. Das schließt auch ein monatliches Kosten-Erlös-Monitoring ein.“ Wo das nicht funktioniere, seien rote Zahlen vorprogrammiert. Rote Zahlen spiegeln für ihn also auch eine „schlechte Führungsqualität“ in der Klinik wider.
Der Klinikeinkauf muss als Mannschaftssport verstanden und gelebt werden. Der Weg dahin ist aber noch steinig, mahnte Dr. Josef Düllings (VKD).
Bei Patientensicherheit noch viel Luft nach oben
Das Aktionsbündnis Patientensicherheit e.V. (APS) agiert seit 2005 als interdisziplinäres, multiprofessionelles Netzwerk für Patientensicherheit. Wichtig für deren Vorsitzende Hedwig François-Kettner ist, dass man nicht auf Schuldzuweisungen setzt, sondern an praxisnahen Lösungen interessiert ist. Das zeigt sich auch darin, dass die APS Handlungsempfehlungen für „Professionelle“, Informationen für Patienten, aber auch Stellungnahmen für die Politik verfasst.
Dass es in puncto Patientensicherheit in Deutschlands Krankenhäusern noch Verbesserungspotenzial gibt, belegte sie anhand beklemmender Zahlen. So erleiden mehr als 500.000 Patienten jährlich Krankenhausinfektionen, davon enden mehr als 10.000 tödlich. Von jährlich ca. 300.000 von Krankenhäusern gemeldeten Sepsis-Fällen haben 15.000 bis 20.000 einen tödlichen Ausgang. 88.000 nosokomiale Infektionen wurden 2016 allein auf Intensivstationen nachgewiesen. Und ca. 40 Prozent aller Krankenhauspatienten kommen in Deutschland aus Pflegeeinrichtungen. Und bei OPs in Deutschland verbleiben jährlich ca. 3.000 Fremdkörper im Patienten.
Parallel dazu erhöhe auch die wachsende Komplexität bei Medizinprodukten das Patientenrisiko. Beispielhaft verwies sie auf EKG-Monitore. 1990 verfügten solche Geräte in der Regel über vier Parameter, aktuell sind es acht. Zählte man früher drei bis vier Infusionsgeräte pro Patient, sind es heute sechs bis acht, partiell sogar bis zu 20 – und diese dann auch noch oft von verschiedenen Herstellern. Ebenso bedenklich stimmt die APS-Vorsitzende die wachsende Infoflut rund um Medizinprodukte. Zwei Beispiele: Der Umfang der Gebrauchsanweisungen auf Intensivstationen stieg zwischen 1990 und 2013 bei Patientenmonitoren und Beatmungsgeräten von 33 bzw. 94 auf 560 bzw. 738 Seiten.
Hedwig François-Kettner (APS) verdeutlichte anhand eindrücklicher Zahlen und Fakten, dass das Thema Patientensicherheit noch viel mehr Aufmerksamkeit verdient als bislang.
Das Thema Hygiene beschäftigt auch den Klinikeinkauf mehr und mehr. Dr. med. Margret Seewald (Klinikum Frankfurt/ Oder) plauderte aus dem Nähkästchen.
Klare Botschaft von Dr. Goran Ribaric (J&J): Prozessorientierte OP-Prozeduren in Form von Surgical Safety Checks (SSC) gewinnen auf breiter Front an Bedeutung.
Was eine verbesserte Patientensicherheit angeht, brach François-Kettner eine Lanze für UDI (Unique Device Identification). „Ein heißes Thema“, gab sie zugleich zu bedenken, zumal Deutschland hier derzeit noch stark hinterherhinke: „Hier gibt es noch einiges zu tun.“
Hygiene schlägt auch im Materialeinkauf durch
Mit ähnlich nachdenklich stimmenden Zahlen zu nosokomialen Infektionen schärfte Dr. med. Margret Seewald, Chefärztin Klinikum Frankfurt (Oder), den Blick für die Frage, inwieweit Patientensicherheit und Materialeinkauf miteinander korrespondieren.
Sie betonte, dass speziell die Empfehlungen der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (Krinko) diverse Punkte enthalten, die sehr wohl den Materialeinkauf beeinflussen. Beispielhaft nannte sie „Prävention postoperativer Wunden“ (2018), „Prävention von Gefäßkatheter-assoziierten Infektionen“ (2017) oder „Händehygiene in Einrichtungen des Gesundheitswesens“ (2016). Hinzu kämen noch Empfehlungen der Kommission Antiinfektiva, Resistenz und Therapie (Art), die für stationäre und ambulante medizinische Einrichtungen gelten.
Als hygienerelevante Medizinprodukte klassifizierte die Medizinerin Desinfektionsmittel (Flächen, Hände), Desinfektionsverfahren, Hautantiseptik, Schutzausrüstung (Handschuhe, MNS, Schutzkittel-Schürze) und maschinelle Aufbereitungsverfahren (HNO, Endoskopie, ZSVA).
Die Anwender müssen aus Sicht von Frau Dr. Seewald dem Materialeinkauf klarmachen, dass Hygienevorgaben und Prozesstauglichkeit letztendlich zwei Seiten der gleichen Medaille sind. Beispielhaft verwies sie auf Handschuhe, wo es u. a. auf Desinfizierbarkeit, Reißfestigkeit und Schaftlänge ankomme. Aufgabe des strategischen Einkaufs sei es also, Einkaufskonzepte hygienerelevanter Produkte transparent für alle Anwender zu kommunizieren und die Integrierbarkeit dieser Produkte in die medizinischen und pflegerischen Behandlungspfade zu prüfen.