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26. November 2021
Redaktion
Sanitätshaus und Patienten

Warten Sie noch – oder vernetzen Sie schon?

Axel Ehrhardt

Interdisziplinäre und digitale Netzwerke können einen großen Nutzen bringen, sowohl für die Leistungserbringer- als auch die Patientenseite. Doch welche Netzwerke gibt es überhaupt und welche Vorteile bringen sie Ihrem Unternehmen? Eine wichtige Frage, denn zukünftig werden in einer sich ständig weiterentwickelnden Welt vor allem jene Unternehmen bestehen, die vorangehen, sich als Taktgeber des Wandels und als Innovatoren positionieren.
Foto: REDPIXEL/Fotolia

Die Vernetzung von Unternehmen gehört im Gesundheitswesen heute fast schon zum Alltag und wird künftig noch mehr an Bedeutung gewinnen. Stichwort: E-Health und elektronische Patientenakte.

Der Ruf nach interdisziplinären und digitalen Kooperationen von Leistungserbringern und deren Zielgruppen wird immer lauter. Dies liegt nicht nur daran, dass eine versorgungs- und leistungsorientierte Vernetzung z. B. nicht nur zu entsprechenden Rationalisierungspotenzialen und signifikanten Effizienzgewinnen führen kann, sondern ebenso Patienten bzw. Endverbraucher – korrelierend mit ihren Krankheitsbildern und ihren individuellen Bedürfnissen – ganzheitlich und umfassend betreut werden können.

Weitere Parameter sind der starke Wandel vom Verkäufer hin zum Käufermarkt, technologisch komplexere Produkt-Features bzw. anspruchsvollere Dienstleistungen und die Nutzung von komparativen Kostenvorteilen. Leider agieren im Markt aber immer noch viele Sanitätshäuser oftmals allein und eher gegeneinander als miteinander.

Abgrenzungen

Der Begriff Netzwerk wird heute sehr vielseitig interpretiert und sollte somit im Rahmen der Definitionen unterschiedlich abgegrenzt bzw. angewendet werden.

Networking
Unter Networking versteht man, ein persönliches Kontaktnetzwerk zu anderen Personen oder Partnern zu etablieren. Die Zielsetzung dieses persönlichen Beziehungsmanagements besteht primär darin, diese Kontakte für seinen eigenen Geschäftsbereich erfolgreich zu nutzen. Dazu zählen auch die Personen, die zu den bekannten Personen im Netzwerk gehören, aber noch nicht aktiv kontaktiert worden sind. Networking ist im heutigen Alltag unabdingbar und sowohl im Berufs- als auch Privatleben nicht mehr wegzudenken.

Kooperationen
Eine Kooperation ist eine in der Regel vertraglich bilaterale und zeitlich beschränkte Zusammenarbeit von mindesten zwei unabhängigen Partnern. Kooperationen können auf der horizontalen Ebene oder entlang der Wertschöpfungskette organisiert sein und von einer projektbezogenen Kooperation bis hin zu einem Joint Venture (Gemeinschaftsunternehmen) vertraglich gestaltet werden.

Definition und Aufgaben von Netzwerken

Ein Netzwerk ist generell meistens ein freiwilliger Zusammenschluss mehrerer Personen oder Einrichtungen, die rechtlich und wirtschaftlich weitgehend unabhängig voneinander agieren. Das grundsätzliche Ziel eines Netzwerkes ist es, dass sich alle Netzwerkpartner in ihren fachlichen Kompetenzen und sonstigen Fähigkeiten effizient und produktiv ergänzen, um dadurch den Nutzen aller Beteiligten im Netz zu mehren. Voraussetzungen eines langfristigen Erfolges für ein nachhaltiges und produktives Netzwerkes sind u. a. folgende Parameter:

  • externe und interne Netzwerkidentifizierung,
  • Informations- und Kommunikationskultur,
  • Vertrauen und Authentizität,
  • Ressourcen- und Aufgabenmanagement,
  • Vereinbarungs- und Zielsetzungsmanagement-Systeme,
  • Organisations- und Ablaufstrukturen,
  • Spielregeln und Rahmenbedingungen,
  • Soll-Ist-Analysen,
  • Change-Management-Akzeptanz,
  • Messbarer Kooperationserfolg.

Unterschiedliche Netzwerke

Netzwerke lassen sich aus unterschiedlichen Motivationen und Zielsetzungen gründen.

Strategische Netzwerke
Drei unabhängige Sanitätshäuser verbinden sich zu einem Einkaufsnetzwerk. Zielsetzung kann beispielsweise die Optimierung des strategischen Einkaufs und Konditionenmanagements sein.

Regionale Netzwerke
Gründung eines regionalen Gesundheitsnetzes durch ein Sanitätshaus mit ausgewählten Partnern, wie z. B. ambulantem Pflegedienst, Fitness-Center, Physio- und Ergotherapeut, Apotheke, Rehaklinik, Sportvereine etc. Zielsetzung kann beispielsweise die Kommunikation des Leistungsportfolios der einzelnen Partner gegenüber der regionalen Öffentlichkeit, die Realisation gemeinsamer Events und sonstiger Marketingmaßnahmen oder die Optimierung des Empfehlungsmanagements sein.

Interdisziplinäre medizinische Versorgungsnetzwerke
Interdisziplinäre medizinische Versorgungsnetzwerke im Gesundheitswesen, wie Wund-, Adipositas-, Venen- und Lymph-, Palliativ- oder Mobilitäts-Netze, sind definiert als interdisziplinäre, strategische und operativ ausgerichtete Organisationen, deren Zielsetzung eine wohnortnahe medizinische Versorgung bzw. deren optimierte Ökonomie ist. Gegründet werden sie durch juristisch autonome Netzwerk-Partner wie (…) Pflegedienste, Hausärzte, ambulante Dia­betologen und Chirurgen, Onkologen, Tageskliniken, Palliativ-Mediziner, Kliniken, Alten- und Pflegeheime, Podologen etc.

Zielsetzungen

  1. Erschließung und Umsetzung von grundsätzlichen Synergieeffekten durch a) die Optimierung der Versorgungsprozesse und des Vernetzungsgrades; b) die Identifizierung von medizinischen Innovationen und regionalen Marktchancen; c) die Ausschöpfung sonstiger Kooperationspotenziale.
  2. Effiziente Bündelung von fachlich-medizinischen Kompetenzen bzw. Implementierung von professionellen Managementaufgaben, z. B. durch die Festlegung eines verantwortlichen Netzwerk- bzw. Projektmanagers.
  3. Realisation einer interdisziplinären, kooperativen, vertrauensvollen und offenen Kommunikations-, Partnerschafts- und Netzwerkkultur.
  4. Festlegung und Vereinbarung einer Ablauforganisation und einer Vertragsmatrix mit Leitlinien, Rahmenbedingungen und operativen Spielregeln.
  5. Aufrechterhaltung der Wettbewerbsfähigkeit im regionalen/überregionalen Markt.
  6. Analyse von Einsparpotenzialen.
  7. Umsetzung und Weiterentwicklung von Marketingstrategien, z. B. im Dialog-Marketing.
  8. Etablierung von Controlling-Tools, z. B. Kosten-Nutzen-Analysen, Finanzierungskonzepte, medizinische/sonstige Qualitätszirkel und mehr.

Gefahren

Für die Gründung eines Versorgungsnetzwerks ist es von immenser und essenzieller Bedeutung, dass die o. a. „harten Faktoren“ klar definiert und transparent formuliert werden. Schließlich können die einzelnen Aufgaben, Messgrößen und Zielsetzungen nur dann funktionieren und auch erreicht werden, wenn sie präzise bestimmt sind. An diesem Punkt „stürzen“ nicht selten schon das Netzwerk und die ersten beteiligten Netzwerk-Partner ab.

Hier sollte an erster Stelle das Durchhaltevermögen aller Beteiligten im Fokus eines zielorientierten Erfolges stehen. Gelingt diese Zielsetzung nicht, weil eben beispielsweise konkrete Teilerfolge noch nicht zu verifizieren sind bzw. Unstimmigkeiten oder Missverständnisse vorliegen, so kann dies zur Stagnation oder vorzeitigen Beendigung des Netzwerks führen.

Eine Verfeinerung der Abstimmungsprozesse, das stetige Ausbalancieren und Anpassen hinsichtlich einer ausgeglichenen Win-win-Situation und letztendlich die Weiterentwicklung zu einer eigenen, identitätsstiftenden Netzwerkkultur bestimmen den finalen Erfolg oder das endgültige Scheitern.

Nutzen

Ein Netzwerk im Gesundheitswesen lebt von dem Nutzen, den es nach außen trägt (z. B. Verbesserung der Versorgungs- und Lebensqualität in der Geriatrie) und nach innen stiftet. Dabei geht es auch um konkrete Fragen und Aufgabenstellungen, inwieweit die aktuellen Synergieeffekte und Zielsetzungen auf Dauer ausreichen, um das Netzwerk langfristig zu stabilisieren, damit im Markt die Wettbewerbs- und Versorgungsfähigkeit weiter aufrecht erhalten bleiben kann. Der interne Nutzen für das Netz lässt sich anhand folgender Parameter verifizieren:

  • Organisatorisch: z. B. Optimierung des internen Kommunikationsaustausches und Workflows oder zeitnahes Reagieren auf wachsende komplexe Marktsituationen.
  • Marktbezogen: z. B. Steigerung der internen Leistungseffizienz und Optimierung des marktorientierten Produkt- und Leistungsportfolios sowie die Realisation von innovativen Marketing- und Eventaktivitäten für Endverbraucher und Kunden.
  • Strategisch: z. B. Ausbau des regionalen Standort-Marketings, Optimierung des Risiko- und Kostenmanagements, Umsetzung von Team-Innovationen.
  • Technisch: z. B. Digitalisierungsprozesse im IT-Bereich, Anpassungen der Abläufe und Organisationsstrukturen.
  • Sozial: z. B. agile Teambildung, Ausweitung von Weiterbildungsangeboten, Einrichtung eines Talent-managements.

Ausblick

Der Trend, sich stärker auf unternehmerische Kernkompetenzen und strategische Erfolgspotenziale zu konzentrieren, sowie die rasant fortschreitende Digitalisierung fordern zukünftige, veränderte und nachhaltig vernetzte Versorgungs- und Organisationsstrategien heraus. Traditionelle Unternehmensstrukturen und starre Abgrenzungen werden sich immer mehr und mehr auflösen. Stattdessen sollten z. B. hybride Verknüpfungen mit externen Partnern noch stärker aufgebaut werden.

Sanitätshäuser werden zukünftig immer mehr (…) unterschiedlich ausgerichteten Netzwerken angehören. Dadurch entstehen vielfältige Konstrukte, gegenseitige Abhängigkeiten und Kooperationsmodelle. Die traditionelle Verflechtung von Unternehmungen, Zulieferern, Konkurrenten und Kunden wird sukzessive verschwinden und sich neu definieren müssen. Gleichzeitig generieren medizinische Versorgungsnetzwerke für die unterschiedlichen Leistungserbringer spürbare Mehrwertstrategien und schaffen zusätzlich eine Netzwerkidentität, die zu einer aktiven Mitarbeit geradezu verpflichtet.

Netzwerke bieten damit für alle Marktpartner im Gesundheitswesen die einmalige Chance, eine optimale und hochwertige Versorgung zu generieren, die zu einer signifikant höheren Patientenzufriedenheit führt. Auch wenn die Corona-Krise manches nicht gerade vereinfacht oder erschwert – die Welt bleibt nicht stehen. Unternehmen, die dabei vorangehen und sich als Taktgeber des Wandels und Innovatoren positionieren, haben die besten Chancen, am Markt weiter zu existieren. Also: Attacke! Worauf warten Sie eigentlich noch?

Foto: Karolina Grabowska/Pixabay
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