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14. August 2023
Redaktion
5-Punkte-Plan des BVMed

Neues "Deutschland-Tempo“ für Medtech-Branche nötig

„Wir brauchen das angekündigte neue Deutschland-Tempo auch für den Medizintechnik-Standort Deutschland“. Das forderten BVMed-Vorstandsvorsitzender Dr. Meinrad Lugan und BVMed-Geschäftsführer Dr. Marc-Pierre Möll bei der Vorstellung des 5-Punkte-Plans für Maßnahmen zur im Koalitionsvertrag vorgesehenen Stärkung des Medizintechnik-Standorts Deutschlands.
Verkehrschilder,
Foto: Gerd Altmann/Pixabay

Als „Aushängeschild für die deutsche Wirtschaft“ bezeichnete BVMed-Vorstandsvorsitzender Dr. Lugan die Medizintechnik-Branche: „Wir sind Innovationstreiber. Wir sind Jobmotor. Wir haben Hidden Champions und sind Exportweltmeister. Wir haben 93 Prozent Mittelstand.“ Für Deutschland stehe viel auf dem Spiel, denn der Medizintechnik-Standort Deutschland sei „stark gefährdet“.

Das liege neben den massiv gestiegenen Kosten für Energie, Rohstoffe und Logistik sowie Inflation und steigende Löhne vor allem an „hausgemachten“ Problemen: Ein sehr kompliziertes regulatorisches System für Medizinprodukte, überbordende Bürokratisierung und Regulierungswut sowie schleppende Digitalisierung im Gesundheitssystem und mangelnde Datennutzung.

„Wir senden damit keine Signale für einen innovationsfreundlichen Standort aus“, so Lugan. Um Top-Talente im Land zu halten und Innovationen hier zu entwickeln, brauche es bessere Rahmenbedingungen. Der Koalitionsvertrag der Bundesregierung biete dafür gute Ansätze, eineinhalb Jahre später sei davon bislang aber wenig zu spüren.
„Den Worten müssen nun Taten folgen“, drängt der Verband. Hier setze der 5-Punkte-Plan mit „ganzheitlichen und strategischen Ansätzen“ an.

1. Beauftragte Person der Bundesregierung für die industrielle Gesundheitswirtschaft

Für eine gut koordinierte Medtech-Branchenstrategie „aus einem Guss“ reicht es laut Verband nicht, „punktuelle Gespräche in einzelnen Ressorts“ zu führen. Stattdessen müsse die ressortübergreifende Zusammenarbeit verbessert werden.

Der BVMed fordert daher die Benennung einer beauftragten Person der Bundesregierung für die industrielle Gesundheitswirtschaft sowie die Stärkung der Abteilung Gesundheitswirtschaft im Bundeswirtschaftsministerium.

2. Resilienz & Lieferketten stärken

Der BVMed spricht sich für einen „systemischen und strategischen Ansatz“ aus, um die Resilienz des deutschen Gesundheitssystems und die Lieferketten zu stärken.

Dazu gehören eine bessere Einbeziehung der Medtech-Branche in die Erarbeitung von Lösungen, die Unterstützung des Aufbaus von Produktionskapazitäten in Deutschland in Produktbereichen, in denen eine strategische Unabhängigkeit erreicht werden soll, sowie die Einrichtung einer digitalen Bestandsplattform versorgungskritischer Medizinprodukte, um Transparenz in Echtzeit zu erreichen.

3. Belastungsmoratorium und Entbürokratisierungs-Offensive

Der BVMed fordert eine Entbürokratisierungs-Offensive, die den deutschen Mittelstand im Blick hat, konsequent Überregulierungen abbaut sowie in Brüssel für standortfreundliche Regulierungen kämpft. Dazu gehört, dass die Verantwortung für Lieferketten auf die unmittelbaren Zulieferer beschränkt bleibt.

Der BVMed fordert zudem einen einheitlichen ermäßigten Mehrwertsteuersatz auf Medizinprodukte sowie mehr Geschwindigkeit und bessere Förderung von klinischen Studien. Wichtig seien zudem adäquate Mechanismen, die die ambulante Hilfsmittelversorgung auch im derzeitig starren Vertragskonstrukt sicherstellen.

4. Fast-Track für Innovationen mit klaren Fristen

Der BVMed setzt sich für flexiblere und schnellere Bewertungsverfahren mit klaren Fristenregelungen beim Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) und beim Bewertungsausschuss ein. Forschende Medizinprodukte-Unternehmen benötigen zudem einen besseren Datenzugang und ein Antragsrecht beim Forschungsdatenzentrum.

Außerdem sollte sich Deutschland dafür einsetzen, dass die EU-Medizinprodukte-Verordnung (MDR) strategisch weiterentwickelt wird und „mehr Berechenbarkeit und Schnelligkeit“ beim Marktzugang von Medizinprodukten bietet. So spricht sich der BVMed u. a. für Fast-Track-Verfahren für innovative Medizinprodukte aus, die den Stand der Technik erheblich verbessern oder einen bislang ungedeckten medizinischen Bedarf betreffen. Hier gebe es bereits etablierte Regelungen zu FDA-Programmen oder Arzneimittel-Verfahren.

5. Fachkräfte gewinnen

Um dringend benötigte internationale Fachkräfte für die Medizintechnik-Branche zu gewinnen, fordert der BVMed einfache Anerkennungsverfahren, Integrationsangebote und Internationalisierung der Verwaltungsverfahren. Außerdem sollten die Arbeitsbedingungen insbesondere in der Pflege verbessert werden, beispielsweise durch den geförderten Einsatz von digitalen Lösungen und pflegeunterstützenden Technologien.

„Lust auf den Standort Deutschland“

Man müsse erreichen, dass Forscher und Unternehmer „wieder Lust auf den Standort Deutschland bekommen“, stellte Dr. Möll abschließend fest. Dafür benötige es jedoch einen konkreten Maßnahmenkatalog „unter Einbindung der Wirtschaft, um den Medizintechnik-Standort Deutschland zu stärken und seine Attraktivität für deutsche und multinationale Unternehmen gleichermaßen aufrechtzuerhalten“.

Diskussion zu Ukraine-Krieg, KI und Blick nach Tschechien

In der anschließenden Diskussionsrunde wurde u. a. der Ukraine-Krieg und seine Auswirkungen auf die Branche thematisiert. Laut Dr. Möll entsteht durch den Krieg ein Sekundär-Konflikt: „Rohstoffe wie Titan werden auch aus Russland importiert. Diese Unternehmen müssen nun in Kanada einkaufen.“

Dadurch ergebe sich jedoch für viele Produkte eine „signifikante Änderung“ im Rahmen der Regulatorik, die eine Rezertifizierung erfordere, weshalb die EU-Kommission gerade daran arbeite, durch eine MDCG-Leitlinie den Begriff des „Signifikant Change“ zu ändern. Dr. Möll: „Aber diese Leitlinie gibt es noch nicht. Wir erwarten von der Regierung, dass sie Druck macht und in Brüssel schneller reagiert wird.“

Das betreffe überdies laut Dr. Lugan auch das Thema Nachhaltigkeit: „Wenn das Material aus Gründen der Nachhaltigkeit geändert wird, ergibt sich ebenfalls ein Significant Change.“ Ändere man hier ebenfalls nicht die Grundlage, verliere die Branche den Anschluss.

Ebenfalls wurde das Thema Künstliche Intelligenz (KI) angesprochen. Es beschäftige nicht nur den Verband, sondern auch die Unternehmen „ganz massiv“, so Dr. Möll: „Ich kenne kein Unternehmen, das nicht eine entspreche Arbeitsgruppe zusammengestellt hat.“ KI könne z. B. genutzt werden, um Bedienungsanleitungen in mehrere Sprachen zu übersetzen. Auch das Nutzerverhalten könne mit KI sehr viel schneller ausgewertet werden als früher. Hier gebe es jede Menge zu tun „und da ist die Entwicklung noch gar nicht eingebunden; das wird sich die kommenden Monate rasant entwickeln“, so Dr. Möll.

Miroslav Palát, Präsident des tschechischen Medizintechnikverbandes CzechMed, stellte zum 5-Punkte-Plan des BVMed fest: „Die hier besprochenen Themen gelten auch für alle anderen europäischen Länder.“ Die Probleme und Fragen als auch die Ursachen seien „europaweit identisch“. Seine Einschätzung: „Die Regierungen versprechen überall dasselbe, aber die Karre bewegt sich nicht vom Platz.“

Der 5-Punkte-Plan des BVMed ist über www.bvmed.de/wipo abrufbar.

BVMed Branchenkampagne

Parallel zum wirtschaftspolitischen Forderungspaket hat der BVMed eine Imagekampagne gestartet. Ihr Ziel ist, „die Faszination und die Bedeutung der Medizintechnik-Branche insbesondere gegenüber der Wirtschafts- und Forschungspolitik zu verdeutlichen.“

Die Branchenkampagne (www.medtech-germany.de) enthält u. a.

  • einen Branchenfilm, der die Bedeutung und die Faszination
  • von Medtech aufzeigt,
  • fünf Motive, die Beispiele für Medizintechnik als Innovationstreiber, Lösungsanbieter und hohe Ingenieurskunst aufzeigen,
  • zentrale „Facts & Figures“, die die Bedeutung der Branche hervorheben,
  • Geschichten von Forschungsmitarbeitenden, die zeigen,
  • was und wer hinter einer Innovation steckt,
  • verschiedene Online-Anzeigenformate in relevanten Medien,
  • eine begleitende Social Media-Kampagne mit Mitmachaktionen unter dem Hashtag #MedTechGermany.

 

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Foto: Karolina Grabowska/Pixabay
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