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23. Januar 2018
Redaktion
ZMT-Seminar

MDR und Betreiberverordnung für Fachhandel wichtig

Die ZMT e.V. führte am 19. Oktober in Essen speziell ein Seminar für den Fachhandel durch. Es ging um die relevanten Aspekte der neuen EU-Medizinprodukte-Verordnung (MDR) und der novellierten Betreiberverordnung für den Fachhandel.
Symbolbild
Foto: bluedesign/Fotolia

Abgerundet wurde der Tag vom Referenten, Dr. Volker Lücker von der Essener Rechtsanwaltskanzlei Lücker, u. a. mit Ausführungen zu Strafrechts- und Haftungsvergehen durch den Handel sowie mit Aspekten zur Werbung für Medizinprodukte.

MDR bringt neue Aufgaben für den Handel

Die neue Medizinprodukte-Verordnung VO 2017/745 (MDR) vom 5. April 2017 regelt das Medizinprodukterecht teil­weise vollkommen neu. Im Gegensatz zur alten EU-Richtlinie ist die MDR verpflichtend anzuwenden. „In der Folge können wir den größten Teil des natio­nalen Medizinproduktegesetzes nach der Übergangsfrist vergessen“, stellte Rechts­­anwalt Dr. Volker Lücker bei dem ZMT-Seminar fest.

Insbesondere für die Hersteller von Produkten höherer Risiko­klassen kämen neue Anforderungen zur Anwendung, mit denen sich die betreffenden Hersteller frühzeitig auseinan­dersetzen sollten. Aber auch für den Medi­zinprodukte-Fachhandel gebe es eine ganze Reihe von Änderungen.

Rein formal ist festzustellen, dass die MDR viel umfangreicher ist und wesentlich mehr Anhänge hat. Im Gegensatz zur bisherigen Richtlinie impliziere sie auch die aktiven implantierbaren Medizinprodukte. Neu ist laut Lücker auch, dass es spezielle Rege­lungen für den Informationsaustausch gibt.

Der Handel sei dabei maßgeblich involviert. Darüber hinaus habe die EU-Kommission die Möglichkeit durch 33 Implementing Acts und 17 Delegated Acts, weitere Regelungen entweder durch eine mögliche Einschaltung der Medical Device Coordination Group oder einer obligatorischen Expertenanhörung mit Interventionsrecht seitens EU-Parlament und -Rat aufzunehmen.

Der Handel sei in das System zur Überwachung nach dem Inverkehrbringen einbezogen. Inverkehrbringen war bisher das erstmalige Inverkehrbringen des Herstellers. Die weitere Vertriebskette durch den Handel wird nun als „Bereitstellung auf dem Markt“ definiert. Gefordert werde von der MDR ein Plan zur sys­tematischen Überwachung, ein Bericht über systematische Überwachung bei Klasse I und Sicherheitsberichte bei den Klassen IIa, IIb und III. Letztere werden in der noch zu schaffenden Eudamed-Datenbank hinterlegt und öffentlich zugänglich sein.

Übernommen wurden aus dem deutschen Medizinprodukterecht Funktionen des Sicherheitsbeauftragten beim Hersteller. Diese „zuständige Person“ habe sicherzustellen, dass die Konformität der Produkte vor Freigabe gemäß dem QM-Managementsystem geprüft wird, die technische Dokumentation und EU-Konformitätserklärung auf dem neuesten Stand erstellt sind, die Pflichten zur Überwachung nach dem Inverkehrbringen und die Berichtspflichten erfüllt werden.

Lücker wies allerdings darauf hin, dass die Verpflichtungen bei Einzelherstellungen, wie z. B. orthopädietechnischen Produkten, separat mit geringeren Anforderungen geregelt sind.

Er führte weiter aus, dass in der Vertriebskette nach dem Inverkehrbringen zwischen Händler und Importeur differenziert wird. Importeur sei derjenige, der ein Medizinprodukt aus einem Drittland auf dem EU-Markt in Verkehr bringt.

Der Händler müsse sicherstellen, dass eine Kennzeichnung des Herstellers – und gegebenenfalls die des EU-Repräsen­tanten und des Importeurs bei Herstellern aus Drittländern – vorliegt, dass eine Etikettierung und eine deutschsprachige Gebrauchsanweisung vorliegen und der UDI-Code angegeben ist.

„Mit dem UDI-Code kann man in Euda­med recherchieren, z. B. die Konformitätserklärung“, hob Lücker die Bedeutung hervor. Bis UDI verbindlich eingeführt wird, werde es aber noch Jahre dauern, meinte er. Weiter müsse der Handel die notwendigen Lager- und Transportbedingungen einhalten und beim Vigilanzsystem mitwirken. In diesem Zusammenhang müssten Beschwer­den von Anwenderseite registriert und an den Hersteller weitergeleitet werden

Bei nicht konformen Medizinprodukten oder bei Gefahrverdacht müsse der Händler den Verkauf stoppen. In diesem Fall müsse er auch die zuständige Be­hör­de informieren. Schlussendlich müsse der Händler eine eigene Warendokumentation vornehmen. Dies berge nach Lücker die Gefahr, dass der Händler bei korrektiven Maßnahmen, wie z. B. Rückrufen, Kundendaten preisgeben muss

Dies gelte auch bei einfachen Produkten, wie z. B. Rollatoren. In der Konsequenz müssten auch bei solchen Verkäufen die Kundendaten festgehalten und dokumentiert werden. „Solche Anforderungen können Fachhändler sicher erfüllen, wie das aber andere Handelsformen, wie etwa Discounter oder Drogeriemärkte, meistern wollen, ist mir ein Rätsel“, meinte Lücker mit Verweis darauf, dass auch solche Handelsformen von der MDR nun erfasst werden.

Zusätzlich zu diesen Händler-Aufgaben müsse der Importeur eines Medizinproduktes als Inverkehrbringer aus einem Drittstaat zusätzlich überprüfen, ob eine Konformitätserklärung und eine technische Dokumentation existieren und ob das vorgenommene Konformitätsbewertungsverfahren auch geeignet gewesen sei. Weiter müsse der Importeur darauf achten, dass neben dem Hersteller auch seine Kontaktdaten auf dem Medi­zin­produkt oder auf der Verpackung angegeben sind.

Dr. Volker Lücker berichtete über die aktuellen Änderungen beim Medizinprodukterecht
Im Rahmen des Vigilanzsystems müsse der Importeur erforderlichenfalls Stichproben vornehmen, Beschwerden, Rückrufe, nichtkonforme Medizinprodukte registrieren und diese Erkenntnisse an den betreffenden Hersteller und EU-Reprä­sentanten weiterleiten

. Bei Gefahr seien die zuständigen Behörden zu informieren und ggf. Korrekturmaßnahmen aktiv zu ergreifen. Weiter müsse der Importeur den Marktaufsichtsbehörden Einsicht in die Konformitätserklärung, in die technische Dokumentation und in die eigene Warendokumentation gewäh­ren. Hinsichtlich der technischen Dokumentation bestehe nur eine Beibringungspflicht.

Dies könne aber auch der EU- Repräsentant des Herstellers über­nehmen.
Entscheidend seien für alle Beteiligten die verbindlichen Anwendungszeitpunk­te der MDR-Regelungen. In Kraft getreten ist die MDR am 25. Mai 2017. Die Übergangsfrist bzw. verbindlicher Geltungsbeginn ist am 26. Mai 2020. Bis 26. November 2017 mussten die Behörden/ MDCG zur Benennung der Benannten Stellen installiert sein. Zwar können die Hersteller die MDR freiwillig schon vor 2020 anwenden, wegen der noch fehlenden Benannten Stellen ist dies aber in der Realität nur für Klasse-I-Produkte möglich.

Produkt-Zertifikate, die vor dem 25. Mai 2017 nach der alten EU-Richtlinie ausgestellt wurden, bleiben für die gesamte Laufzeit gültig. Zertifikate, die danach, aber vor dem 26. Mai 2020 ausgestellt werden, erlöschen spätestens am 27. Mai 2024.

Entsprechend sei auch nach dem 25. Mai 2020 ein Inverkehrbringen möglich (AIMDD/MDD-Zertifikate nach Art. 120), wenn bestimmte Voraussetzungen, wie unveränderte Zweckbestimmung und Auslegung, vorliegen und die Überwachung nach dem Inverkehrbringen, die Marktüberwachung, das Vigilanz­sys­tem und die Registrierungspflichten ge­mäß MDR angewendet werden. Die Hersteller von Produkten der Klasse I müssen ihre Produkte allerdings schon bis 2020 umstellen

Für den Handel ist wichtig, dass er Produkte, die vor dem 26. Mai 2020 nach der alten EU-Richtlinie erstmalig in den Verkehr gebracht wurden, nur bis 27. Mai 2025 weiter auf dem Markt bereitstellen darf. Der Handel mit gebrauchten Produkten ist hiervon nicht erfasst.

Handelsrelevanz der neuen Betreiberverordnung

Zum Jahresbeginn 2017 trat eine novellierte Betreiberverordnung (MPBetreibV)  in Kraft. Diese wird, laut Rechtsanwalt Dr. Lücker, unabhängig von der MDR weiter Bestand haben. Auch die MPBetreibV habe handelsrelevante Inhalte. Ein Grundsatz sei, dass Medizinprodukte nur entsprechend ihrer Zweckbestimmung betrieben und angewendet werden dürfen.

Gesundheitseinrichtungen müssten einen Verantwortlichen benennen. Ein Arzt sei auch dann noch Betreiber, wenn er z. B. als Belegarzt seine Medizinprodukte in eine andere Gesundheitseinrichtung mitnimmt. Quasi-Betreiber sei derjenige, der Patienten mit Medizinprodukten zur Eigenanwendung (oder durch Dritte) in der häuslichen Umgebung versorgt. Diese Verantwortlichkeit bleibe auch bestehen, wenn ein Patient in eine Gesundheitseinrichtung wie z. B. ein Krankenhaus geht und das ihm zur Verfügung gestellte Medizinprodukt verwendet (z. B. CPAP-Gerät).

Quasi-Bertreiber seien in der Regel die Kostenträger. Diese könnten die Betreiberpflichten allerdings vertraglich an Leis­tungserbringer delegieren. Die letztliche Verantwortung bleibe trotzdem bei der Kasse. So müsse sie darauf achten, dass sie nur an kompetente Leistungserbringer delegiert. „Der Leistungserbringer bleibt Laufbursche für die Krankenkasse“, formulierte Lücker salopp.
Gefahrvermeidungspflichten im Rahmen des Betreibens und Anwendens von Medizinprodukten bestehen aus Organisationspflichten, Aufklärungspflichten, Behandlungspflichten und Kooperationspflichten. Hinsichtlich der Organisationspflicht müsse eine Gesundheitseinrichtung mit mehr als 20 Beschäftigten als Betreiber einen Beauftragten für Medi­zinproduktesicherheit ernennen und auf der Homepage veröffentlichen.

Dieser müsse besondere Anforderungen gemäß § 5 MPBetreibV erfüllen. Der Betreiber müsse die Qualifikation der Anwender, die Einweisung, die Instandhaltung, die sachkundige Aufbereitung sowie die Durchführung und Protokollierung der Sicherheitstechnischen Kontrollen (STK) sicher­stellen.

Im Gegensatz zur alten gebe der Hersteller nach der neuen Betreiberverordnung keine Angaben/Fristen für STKs und Messtechnische Kontrollen (MTK) vor. Nun habe der Betreiber die STK für die in Anlage 1 aufgeführten Produkte nach den allgemeinen Regeln der Technik durchzuführen oder durchführen zu lassen.

Auch über die Fristen entscheide der Betreiber bei den STKs selbst. STKs seien allerdings spätestens nach zwei Jahren durchzuführen. Ausnahme seien automatische Defibrillatoren (AED) in öffentlichen Räumen. Hier genüge eine regelmäßige Sichtprüfung. Die Fristen für MTKs sind in der Anlage 2 der Betrei­berverordnung konkretisiert.

Weiter unter die Organisationspflicht des Betreibers falle die Führung eines Medizinproduktebuchs für Medizinprodukte der Anlagen 1 und 2 und eines Bestandsverzeichnisses für alle aktiven nicht implantierbaren Medizinprodukte. Gegenüber den Anwendern müssen Gebrauchsanweisungen und Medizinproduktebücher zugänglich gemacht werden.

Bei einem begründeten Verdacht, dass bei der Anwendung ein Sicherheitsrisiko besteht, sei der Betrieb eines Medi­zinprodukts einzustellen. Auch auf Verfallsdaten habe ein Betreiber zu achten. Bei miteinander verbundenen Medizinprodukten sowie Produkten mit Zubehör müsse sich der Betreiber vergewissern, dass die Konstellation geeignet ist.

Hinsichtlich der Aufklärungspflichten müsse sichergestellt sein, dass der Anwender die notwendige Ausbildung und Kenntnis besitzt und eingewiesen wird. Der Anwender müsse sich vor der Anwendung auch von der Funktionsfähigkeit und dem ordnungsgemäßen Zustand des Medizinprodukts überzeugen und die Gebrauchsanweisung sowie Sicher­heits- und Instandhaltungshinweise kennen und beachten.

Hinsichtlich der Behandlungspflichten seien Reinigung und Desinfektion nach Herstellerangaben mit validierten Verfahren durchzuführen. Die KRINKO-/ BfArM-Richtlinie gilt nach Lücker als Indiz. Eine Aufbereitung von Kritisch-C-Produkten dürfe nur mit QM-Zertifikat erfolgen. Ordnungsgemäß geregelt sein müsse im Rahmen der Behandlungspflicht auch die Instandhaltung.

Schlussendlich besage die Kooperationspflicht, dass der Betreiber den Behörden Einsicht in die Unterlagen gewähren und Vorkommnisse ans BfArM melden muss.

Haftung im Handel

Dr. Volker Lücker verdeutlichte die Befugnisse und Sanktionsmöglichkeiten der zuständigen Stellen sowie die Haftung für den Fachhandel. Gemäß § 40 Medizinproduktegesetz mache sich ein Händler strafbar, wenn er ein Medizinprodukt trotz Sicherheits- und Gesundheitsbedenken in den Verkehr bringt.

Dies könne mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren geahndet werden. Und wenn er ein Medizinprodukt ohne CE-Kennzeichnung verkauft, drohe eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe. Bei Medi­zinprodukten, die den Vorschriften der Strahlenschutz- oder der Röntgenverordnung unterliegen, seien es bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe.

Bußgelder drohen bei Inverkehrbringen nach MPG nach Verfalldatum, fehlender Kompatibilitätserklärung von Sys­temen, Abgabe von Sonderanfertigungen ohne Erfüllung der Grundlegenden Anforderungen, unzureichenden oder fehlenden Informationen (z. B. Gebrauchsanweisung), Sicherheitsinformationen nicht auf Deutsch, Tätigkeit als MP-Berater ohne Qualifikation, Verletzung der Aufzeichnungs-, Sammlungs- und Meldepflichten eines MP-Beraters.
Zivilrechtliche Haftungen bestünden bei Nichterfüllung von Verträgen gegen­über Vertragspartnern.

Dies betreffe die Gewährleistung oder Sachmängel. Als Konsequenz könne der Vertragspartner Nachbesserungen oder Austausch des Produkts  verlangen, vom Vertrag zurücktreten oder Schadenersatz verlangen. Speziell für Hersteller wirke das Produkthaftungsgesetz. Hersteller sei allerdings auch derjenige, der sich durch Anbringung seines Namens, seiner Marke oder eines anderen unterscheidungskräftigen Kennzeichens als Hersteller ausgibt.

Werbung mit Medizinprodukten

Grundsätzliche Regelungen zur Werbung liefert das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG). Speziell für Medizinprodukte gilt aber vorrangig das Heilmittelwerbegesetz (HWG). „Das HWG beinhaltet ein Irreführungsverbot, gesetzliche Vorgaben an den Inhalt und eine Differenzierung zwischen Fachkreiswerbung und Publikumswerbung“, fasste Rechtsanwalt Dr. Lücker zusammen.

Eine Irreführung liege insbesondere dann vor, wenn eine therapeutische Wirksamkeit behauptet wird, die das Medi­zinprodukt aber nicht hat. Auch das fälschliche Versprechen eines Erfolges mit Sicherheit und keinerlei schädlicher Nebenwirkungen sei eine Irreführung im Sinne des Gesetzes. Irreführend seien auch unwahre Angaben zur Zusammensetzung oder Beschaffenheit des Medizinprodukts oder über die in direktem Zusammenhang mit dem Produkt stehenden Personen und Hersteller.

Das HWG verbiete darüber hinaus die Werbung mit Beigaben. Ausnahmen bestehen bei geringem Wert, echtem Mengen- oder Zahlungsrabatt, handelsüblichem Zubehör oder Nebenleistungen und bei unentgeltlichen Verbraucherzeitungen, wie z. B. Kundenzeitschriften.

Gutachterwerbung ist nach dem HWG mit erheblichen Anforderungen an Inhalt und Angaben verbunden. Verbraucher beeinflussende Angaben sind außerhalb der Fachkreise verboten. Zu nennen seien z. B. Angstgefühle hervorrufende Aussagen, Werbevorträge, mit denen Anschriften gesammelt werden, Veröffentlichungen, die verdeckte Werbung darstellen, oder Anerkennungs-, Dankes- oder Empfehlungsschreiben Dritter.

Foto: Karolina Grabowska/Pixabay
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