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2. September 2024
Redaktion
Sanitätshaus, Hersteller, Nutzer & Kostenträger

Optimale XXL-Versorgung dank XXL-Zusammenarbeit

Für Menschen mit hochgradiger Adipositas ist eine XXL-Elektrorollstuhlversorgung in der Regel die einzige Möglichkeit, um noch mobil zu sein und selbstständig am Leben teilzuhaben. Meist ist in der Versorgung jedoch nicht nur die hohe Belastbarkeit des Rollstuhls eine Herausforderung, sondern auch noch zahlreiche individuelle physiologische Besonderheiten und Wünsche. Damit dennoch eine optimale Versorgung erfolgt, müssen alle an diesem Prozess Beteiligten kooperativ und eng zusammenarbeiten. Das Beispiel von Tanja Obermann (Name geändert) zeigt, wie das gelingen kann.
Foto: moso
Der Spezial-Rollstuhl wurde auf den Körper von Tanja Obermann individuell angepasst.

Tanja Obermann wiegt zwischen 300 und 350 Kilogramm. Wie viel genau, weiß niemand, weil die 56-Jährige schon länger nicht mehr selbstständig auf eine geeignete Waage gehen und auch nicht darauf transferiert werden kann. Das genaue Gewicht spielt auch keine Rolle, auf ein paar Kilo mehr oder weniger kommt es nicht an. Fest steht nämlich, dass Tanja Obermann die Belastungsgrenze vieler gängiger Hilfsmittel so oder so überschreitet. Das macht ihre XXL-Elektrorollstuhlversorgung sehr anspruchsvoll, denn selbstverständlich hat auch sie einen Anspruch auf größtmögliche Mobilität und Lebensqualität.

Wenn es über 250 kg sind

Im Bereich der Elektrorollstühle gibt es bei den XXL-Versorgungen inzwischen zwar eine ganze Reihe von Anbietern, bei denen ist aber meistens bei etwa 160 bis 250 Kilogramm Schluss. Hinzu kommt, dass es sich bei vielen dieser Lösungen um Produkte aus dem Standardprogramm der Hersteller handelt, die für eine höhere Belastung lediglich konstruktiv verstärkt wurden.

Dieses Vorgehen stößt aber bei einer dauerhaften Höchstbelastung schnell an seine Grenzen beziehungsweise führt zu einer raschen Ermüdung des Materials bei einigen Komponenten, wie z. B. den Radaufhängungen, den Felgen, den Reifen oder dem Fußbrett.

Foto: privat
Volker Neumann ist Journalist im Bereich der Mobilität für behinderte Menschen und Senioren und Chefredakteur des Informationsportals Mobitipp (www.mobitipp.de).

Kostenträger weist auf geeignetes Produkt hin

Obermann erhielt deshalb von ihrer Krankenkasse den Tipp, sich wegen eines geeigneten Elektrorollstuhls an die Rollstuhlmanufaktur Motion Solutions (moso) zu wenden, die ein Modell herstellt, das regulär bis 250 kg, im Sonderbau bis 350 kg und bei Bedarf sogar bis 500 kg belastbar ist: der LEO350. Ein besonderes Merkmal von ihm ist, dass seine Konstruktion eine freie Einstellung des Schwerpunkts ermöglicht. Die ist wegen der ungleichen, nicht vorhersehbaren Verteilung des Körpergewichts erforderlich.

Deshalb wird jeder Rollstuhl mit einem speziell entwickelten Messsystem genau auf den perfekten Schwerpunkt eingemessen, bevor er produziert wird. „Wir haben gute Erfahrungen mit diesem Rollstuhl gemacht und waren deshalb gleich begeistert davon, Frau Obermann damit zu versorgen“, stellt Birgit Berwald vom Stolle Sanitätshaus aus Hamburg, dem versorgenden Leistungserbringer, fest.

Kooperation von Stolle Sanitätshaus und Hersteller moso

Aufgrund der ungewöhnlichen physiologischen Anforderungen der späteren Nutzerin war aber nicht nur die hohe Belastbarkeit des Elektrorollstuhls eine Herausforderung. „Eine Sitzbreite von einem Meter ist auch für uns nicht alltäglich“, erzählt Klaus Gierse, Geschäftsführer von moso.

Das Remscheider Unternehmen und das Sanitätshaus haben eng zusammengearbeitet, um sämtliche Anforderungen in der XXL-Elektrorollstuhlversorgung zu berücksichtigen und bestmöglich umzusetzen. Damit das gelingt, waren bei der ersten Anpassung insgesamt vier Spezialisten beider Unternehmen bei Tanja Obermann, um alles genauestens auszumessen, zu wiegen, zu dokumentieren und die notwendigen Schritte gemeinsam zu besprechen. „Das hat super und reibungslos funktioniert“, berichtet die 56-Jährige.

Enge Kooperation führt zum Erfolg

Durch den engen Austausch zwischen Hersteller und Leistungserbringer wurden alle Herausforderungen innovativ gelöst. Unter anderem benötigte Frau Obermann eine individuelle Auflage für ein ausgeprägtes Lipödem zwischen den Füßen. Die Konstrukteure entwickelten ein Fußbrett, das trotz der hohen Belastung und der benötigten großen Auflagefläche elektrisch sowohl in der Höhe als auch in der Neigung verstellt werden kann. Eine weitere Herausforderung war die Anpassung einer individuellen, nach Körperform angepassten Rückenanlage. Kapazitätsprobleme des Herstellers der Fräsrohlinge führten zwar zu zeitlichen Verzögerungen, diese hatten aber keinen Einfluss auf die Qualität der Versorgung.

Kooperativer Kostenträger

Die Krankenkasse von Tanja Obermann war sehr kooperativ. Sie bat den Medizinischen Dienst (MD) um sein Urteil zum Kostenvoranschlag, was aber bei einer Versorgung dieser Größenordnung im Sonderbau angemessen und normal ist. Da der MD keine Einwände hatte, konnte die Versorgung rasch angegangen werden. „Alle Beteiligten haben ihr Bestes gegeben, um Frau Obermann eine optimale Versorgung für ein möglichst selbstständiges Leben zu ermöglichen“, resümiert Birgit Berwald von Stolle.

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Foto: Karolina Grabowska/Pixabay
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