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11. November 2013
Redaktion

Die Präqualifizierung ist keine Hexerei

(MTD 11/2010) Um künftig Vertragspartner der Krankenkassen werden zu können, müssen die Leistungserbringer vor Vertragsschluss ihre Eignung nachweisen. Ein Weg dazu ist die Präqualifizierung. Um Transparenz zu schaffen, boten Hartmann Rechtsanwälte und MTD-Verlag im September zwei Seminare in Lünen und Ulm an. Carla Grienberger, Leiterin des Referats Hilfsmittel beim GKVSpitzenverband, sowie die Rechtsanwälte Peter Hartmann und Jörg Hackstein erläuterten die Sachlage.

Die Präqualifizierung als neue Schikane? „Wir wollen die Branche nicht zerschlagen. Deshalb haben wir die Branche am Prozess der Präqualifizierung beteiligt“, nahm Carla Grienberger den Präqualifizierungskritikern gleich den Wind aus den Segeln. In der Tat suchte der GKV-Spitzenverband nach Lösungen, die auch im Sinne der Branche sind. Dazu gehört, dass sich die Bürokratie möglichst in Grenzen hält, wenngleich sich der GKV-Spitzenverband auch nicht über die gesetzlichen Regelungen hinwegsetzen kann.
Völlig neu ist die Präqualifizierung indes nicht, baut sie doch auf der alten Zulassung auf. Auch bei den Anforderungskriterien wurde pragmatisch vorgegangen. Je nach Versorgungsbereich gibt es unterschiedliche Präqualifizierungskriterien. Grienberger machte deutlich, dass man sich nur für die Bereiche präqualifizieren kann, für die man tatsächlich auch einen Vertrag mit den Kassen schließen will. Und wenn man beispielsweise nur mit einer Kasse einen Vertrag zu einem Versorgungsbereich schließen will, kann auf die Präqualifizierung ganz verzichtet wer den. Dann kann der Eignungsnachweis auch individuell durch Vorlage von Unterlagen gegenüber der Kasse erbracht werden. Zusätzlich haben die Kassen die Möglichkeit, die Präqualifizierungskriterien in den Verträgen selbst zu konkretisieren –  wenn es z. B. um die Frage des Notdienstes oder des Wiedereinsatzes geht. Relevant ist der Eignungsnachweis im Übrigen für alle drei möglichen Vertragsarten nach § 127 SGB V (Ankündigungsvertrag, Ausschreibungsvertrag und Individualvertrag).
Noch ist das ganze Präqualifizierungsprozedere nicht unter Dach und Fach. Noch nicht geregelt ist die Frage der Fortbildungen. Auch hier suche der GKV-Spitzenverband den Schulterschluss zu den Leistungserbringer-Organisationen. Dass letztlich aber der GKV-Spitzenverband das letzte Wort hat, daran ließ Grienberger keinen Zweifel. Neben der Präqualifizierung müssen zudem die Produkt- und Dienstleistungsanforderungen des Hilfsmittelverzeichnisses neu gestaltet werden. Dies wird Thema des Jahres 2011 sein.
Gegenüber dem Individual-Nachweis hat die Präqualifizierung den Vorteil, dass sie von allen Kassen anerkannt werden muss. Neutrale Prüffirmen sollen für objektive und für alle Leistungserbringer gleiche Prozesse sorgen. Im Gegensatz zu den alten Empfehlungen durch die ehemaligen Spitzenverbände sind diese Präqualifizierungsstellen privatwirtschaftliche Firmen mit Gewinnabsichten. Deshalb werden sie Gebühren erheben. Wie teuer es wird, darüber konnte Grienberger im September noch keine Angaben machen. Sie betonte aber, dass die Präqualifizierungsstellen ihre Preise zur Transparenz veröffentlichen müssen.
Offensichtlich wittern aber einige Firmen doch ein lohnendes Geschäft. Immerhin lagen dem GKV-Spitzenverband rund 40 Anträge auf Benennung als Präqualifizierungsstelle vor. Konkrete Benennungen von Präqualifizierungsstellen mit ihren Prüfbereichen durch den GKVSpitzenverband sind wohl ab November 2010 zu erwarten, nachdem der entscheidende Beirat, bestehend aus Vertretern von Kassen und Leistungserbringern, am 15. Oktober tagte. Dieser Beirat wird künftig auch eine Rolle spielen, wenn bei der praktischen Umsetzung der Präqualifizierungsbestimmungen Korrekturbedarf ersichtlich werden sollte. Und davon ist auszugehen. Grienberger: „Die Materie ist unheimlich komplex.“
Grundsätzlich kann ein Leistungserbringer jede benannte Präqualifizierungsstelle in Anspruch nehmen. Dabei haben Hauptbetrieb und alle Filialen oder Tochtergesellschaften das Prozedere zu durchlaufen. Bei positivem Ausgang des Prüfungsverfahrens erhält der Leistungserbringer seine Präqualifizierungsbestätigung mit einer Gültigkeit von fünf Jahren. Grienberger betonte explizit, dass eine folgende Re-Präqualifizierung für den Leistungserbringer keine große Hürde darstellen werde, sofern sich keine gravierenden betrieblichen Änderungen ergeben haben.
Rechtsanwalt Peter Hartmann ermahnte die Leistungserbringer aber dringend, ihrer jeweiligen Präqualifizierungsstelle betriebliche Änderungen unbedingt mitzuteilen, da es im Extremfall sogar zu Vertragskündigungen der Kassen kommen könne. Da die präqualifizierten Betriebe zentral in einer Datenbank erfasst werden, kann die Aberkennung einer Präqualifizierung natürlich fatale Folgen haben. Mitzuteilende Veränderungen sind beispielsweise Wechsel des Inhabers oder fachlichen Leiters, Standortwechsel, maßgebliche räumliche Änderungen, Erweiterung des Hilfsmittel spektrums, Auflösung des Unternehmens, Insolvenz. Je nach Veränderung kann eine Präqualifizierung eingeschränkt, ausgesetzt oder zurückgezogen werden.
Vom Sanitätshaus über Apotheken, Orthopädieschuhtechniker, Homecare-Unternehmen bis hin zu exotischen Hilfsmitteln wie Blindenhunden gibt es rund 50.000 Leistungserbringer, die von der Präqualifizierung betroffen sind. Deshalb sind die ursprünglich vorgegebenen Fristen für die verbindliche Präqualifizierung nicht einzuhalten (Anm. d. Red.: Einzelheiten zu Bestandsschutz, Erfüllung der Anforderungen, Vertriebswegen, Versorgungsbereichen und Betriebsbegehungen finden Sie im anschließenden Artikel „Empfehlungen zur Präqualifizierung“.)
Rechtsanwalt Jörg Hackstein schilderte den Weg zur Präqualifizierung. Differenziert werden müsse zwischen den Antragsstellungen wie Anträge auf Erwerb/ Neuanfang, Aufrechterhaltung/Verlängerung, Änderung oder Erweiterung. Je nach Antragsstellung wird es unterschiedliche Formulare geben. Eindringlich ermahnte Hackstein die Leistungserbringer, alle vorgegebenen Fristen zwingend zu beachten, sonst drohe die Zurückweisung des Antrags. Die Präqualifizierungsstelle muss den Antrag binnen zehn Arbeitstagen auf Vollständigkeit überprüfen und fehlende Unterlagen in einer angemessenen Frist einfordern. Auf Antrag kann die Frist einmalig verlängert werden. Eventuell nötige Betriebsbegehungen müssen innerhalb von vier Wochen durch die Präqualifizierungsstelle erfolgen. Spätestens acht Wochen nach Vorliegen sämtlicher Unterlagen muss eine Präqualifizierungsstelle entscheiden und die Entscheidung mit den erforderlichen Daten dem GKVSpitzenverband mitteilen.
Will eine Präqualifizierungsstelle die Präqualifizierung eines Leistungserbringers ablehnen, so muss der Leistungserbringer vor dem förmlichen Beschluss informiert werden, um Stellung nehmen zu können. Entsprechend verlängert sich die Frist von acht Wochen. Beschwerden gegen eine Ablehnung sind in der Beschwerdeordnung festgelegt.Nach Hartmanns Darstellung liegt das Ziel dieses geregelten Beschwerdeverfahrens darin, nach Möglichkeit gerichtliche Verfahren zu vermeiden. Im Mittelpunkt dazu steht eine neutrale, unparteiische Beschwerdestelle, die von jeder Präqualifizierungsstelle einzurichten ist und die der abgelehnte Leistungserbringer anrufen kann.
Bei der Präqualifizierung werden allgemeine Anforderungen, sachliche Anforderungen und berufliche Anforderungen überprüft. Dabei werden Produktarten zu Versorgungsbereichen zusammengeführt. Die allgemeinen Anforderungen umfassen die IK je Betriebsstätte, den Nachweis der Erfüllung berufsrechtlicher Voraussetzungen, Betriebshaftpflichtversicherungen, Erklärungen der Insolvenzfreiheit, Zahlung der Steuern und Sozialabgaben usw. sowie die Erfüllung der Anforderungen nach § 128 SGB V (Raumskizze, Mietvertrag, Grundbuchauszug). Die sachlichen Anforderungen betreffen je nach Versorgungsbereich z. B. die Beratungsbereiche, den Werkstattraum, die Sicherstellung der sachgerechten Durchführung von Instandhaltungen/Reparaturen, den barrierefreien Zugang/Toiletten, Lagermöglichkeiten, Wiederaufbereitungsvorrichtungen, Werkstattausstattung und spezifische Einrichtungen wie z. B. Laufgang und Refraktionsraum. So sind z. B. zur Abgabe von Kompressionsstrümpfen folgende sachliche Voraussetzungen notwendig: Sicherstellung zeitnaher Verfügbarkeit der Produkte, Vorführ- und Testmuster, abgegrenzter Beratungsraum mit Liege sowie Lagermöglichkeiten gemäß Herstellerangaben. Auch bei den beruflichen Anforderungen des fachlichen Leiters sind je nach Versorgungsbereich unterschiedliche Berufsgruppen zugelassen. Für die Versorgung mit Kompressionsstrümpfen muss der fachliche Leiter OT- und OST-Meister, Dipl.-Ing. für OT und Reha, OT-Techniker, Orthopädieschuhmacher, Fachverkäufer Sanitätsfachhandel, Apotheker oder Gesundheits-/Kranken-/Altenpfleger sein.

Foto: Karolina Grabowska/Pixabay
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