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Die Hoffnung, nach der einjährigen Verschiebung des MDR-Geltungsbeginns von 2020 auf 2021 ein voll funktionsfähiges System bis zum Geltungsbeginn vorliegen zu haben, ist laut BVMed und SNITEM nicht Realität geworden. Das System sei faktisch nur teilweise arbeitsfähig. Von 25.000 benötigten Zertifikaten seien bislang noch nicht einmal 1.000 ausgestellt worden. Es gebe dabei nicht nur einen Stau bei der Zertifizierung von Bestandsprodukten, auch Innovationen stockten, da viele Entwicklungsressourcen in die MDR-Regulatorik gehen, kritisieren beide Verbände einhellig.

Enormer Handlungsdruck

Vor allem müsse jetzt der Flaschenhals der MDR-Implementierung entzerrt werden. „Dazu gehört unter anderem die Verschiebung der Übergangsperiode der MDR. Ansonsten werden wir den drohenden Engpass bei den Zertifikaten aufgrund der begrenzten Ressourcen der Benannten Stellen nicht bewältigen“, so SNITEM-Geschäftsführer Eric Le Roy.

„Oberstes Ziel der Bemühungen muss es sein, die medizinische Versorgung der Menschen mit sicheren und modernen Medizinprodukten kontinuierlich zu gewährleisten. Das Zeitfenster für Lösungen schließt sich, wir müssen jetzt handeln“, ergänzt BVMed-Geschäftsführer und Vorstandsmitglied Dr. Marc-Pierre Möll. Er betont, dass Deutschland und Frankreich zusammen für über 50 Prozent des Medizinproduktemarktes in der EU stehen. „Hier entsteht eine starke Allianz, die jetzt in Europa vorangeht“, so Möll.

Die Zeit drängt

In der gemeinsamen Erklärung der beiden Verbände heißt es: „Wir befinden uns in einem rückwärtsgewandten System, das zu viele der knappen Ressourcen in der Industrie und bei Benannten Stellen bindet. Bei mehr zu zertifizierenden Produkten in einem kürzeren Zeitraum und umfangreicheren zu prüfenden Unterlagen reicht die aktuelle Kapazität der aktuell 27 Benannten Stellen nicht aus und liegt weit entfernt von der tatsächlich benötigten Kapazität. Wir müssen gemeinsam an Lösungen arbeiten, um die Kapazitäten zu erhöhen.“

Und das müsse schnell geschehen, denn die Übergangsperiode endet nach den bisherigen Regelungen am 26. Mai 2024. Die Dauer der Zertifizierung betrage im Durchschnitt rund 18 Monate. Das heiße, spätestens im dritten Quartal 2022 müssten die unternehmerischen Entscheidungen getroffen werden, welche Produkte vom Markt genommen werden müssen. Die Zeit renne allen davon, die Situation spitze sich dramatisch zu. Ein Zusammenbruch der Patientenversorgung müsse verhindert werden.

Die Kernforderungen

Ausbau der Kapazitäten der Benannten Stellen. Mit Blick auf die rund 25.000 Zertifikate, die in die MDR überführt werden müssen, sowie neue Produkte müssen Benannte Stellen ihre vorhandene Kapazität weiter ausbauen, besser nutzen und Prioritäten richtig setzen. Der Zugang zu den Benannten Stellen muss erhöht werden und für alle Hersteller gleichermaßen möglich sein. Triagen müssen verhindert werden. Der Designationszeitraum für Benannte Stellen muss verkürzt, laufende Assessments müssen gestrafft und Anreize für weitere Anträge gesetzt werden.

Pragmatischer Umgang bei der Überführung von Bestandsprodukten in die MDR durch Schaffung unbürokratischer Möglichkeiten, um die begrenzten Kapazitäten der Benannten Stellen für QMS-Audits und den Review von technischen Dokumentationen bestmöglich zu nutzen. Dazu zählen die Ausstellung von Zertifikaten unter Auflagen, die Anerkennung aller relevanten Parameter für die klinische Bewertung mit Gewichtung auf Post-Market-Daten und die Anerkennung des Ähnlichkeitsprinzips, aber auch die Verschlankung von Konsultationsprozessen sowie die Etablierung von Sonderregelungen für Nischenprodukte. Sinnvolle und angemessene Überwachung der „Legacy Produkte“ (Produkte, die noch unter den alten Richtlinien zertifiziert wurden).

Verschiebung der Übergangsperiode. Zweistufige Verlängerung der Übergangsperiode um zwei Jahre für höher klassifizierte Produkte (Klasse III und implantierbare Produkte) und um vier Jahre für alle anderen Produkte, um die Verfügbarkeit von Medizinprodukten mit den aktuell verfügbaren Ressourcen zu gewährleisten; parallel dazu entsprechende Anpassung der Abverkaufsfrist.

 

Foto: Karolina Grabowska/Pixabay
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