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Die Referentinnen und Referenten – allen voran Carla Grienberger – wurden von den rund 80 Teilnehmern mit Fragen geradezu bombardiert. Die Leiterin des Referates Hilfsmittel beim GKVSpitzenverband schaffte es, Unklarheiten zu beseitigen (siehe auch die ausführliche Berichterstattung in MTDialog 5/2010, S. 6–13). Wenngleich so manche Frage nicht abschließend beantwortet werden konnte. Denn vorrangiges Ziel ist es, das Präqualifizierungsprozedere erst mal zum Laufen zu bringen. Und nachdem mit dem Bundesinnungsverband für Orthopädie-Technik (BIV) und dem BVMed Mitte Mai zwei weitere relevante Branchenverbände die PQ-Vereinbarung unter zeichnet haben, soll es Schlag auf Schlag gehen – hoffentlich. Der GKV-Spitzenverband sieht folgendes Szenario vor.
Szenario in mehreren Akten
Erster Akt (geplant für Juni): GKV-Spitzenverband und die 16 relevanten Leistungserbringerorganisationen benennen einen paritätisch besetzten Beirat. Seine Hauptaufgabe ist es, Zweifelsfragen im Rahmen der Benennung von PQ-Stellen und etwaige Konflikte zu klären. Er hat das Letztentscheidungsrecht und beschließt mit einfacher Mehrheit. Außerdem unterstützt er den GKV-Spitzenverband bei der Überwachung der PQ-Stellen sowie bei der Weiterentwicklung des PQ-Verfahrens.
Zweiter Akt (ab Juni): Beim GKV-Spitzenverband werden die Zulassungsanträge von potenziellen PQ-Stellen geprüft, die die Präqualifizierung durchführen sollen. Anschließend werden diese ernannt. Nach Angaben von Grienberger haben bis Mitte Mai rund 25 Interessenten einen entsprechenden Antrag gestellt – darunter z. B. Sachverständige, Beratungsfirmen für die HMV-Zulassung, TÜVs, Zertifizierungsfirmen, aber auch der Hilfsmittel-Branche fremde PQ-Stellen. Ihrer Einschätzung nach könnten die ersten PQ-Stellen vermutlich im Herbst an den Start gehen. Damit das Verfahren branchenweit funktioniert, müssen es freilich viel mehr werden. Denn die GKV-Hilfsmittelexpertin schätzt die Zahl der Leistungserbringer im Hilfsmittelbereich inzwischen auf bis zu 40.000 – u. a. müssten auch Apotheken das PQ-Verfahren durchlaufen, selbst wenn der Hilfsmittelbereich nicht ihr Kerngeschäft darstelle.
Kommt die Antragsflut?
Und hier kommt eine weitere Unbekannte ins Spiel: Werden die PQ-Stellen gleich zu Anfang von den Leistungserbringern mit einer Antragsflut überrollt? Eine Teilnehmerin der Tagung formulierte es so: „Unser Unternehmen will bei den ersten präqualifizierten Leistungserbringern sein – und die Mitbewerber vermutlich auch.“ Etwaigen Panikreaktionen leistete Grienberger Vorschub, indem sie klarstellte, dass man als Vertragspartner nach wie vor versorgen dürfe (s. o.).
Dritter Akt (Juni): Da laut Gesetz vom 1. Juli 2010 an die Leistungserbringer entweder ein Präqualifizierungszertifikat oder eine entsprechende Eignungsprüfung nachweisen müssen, bis dahin die PQ-Verfahren aber noch nicht anlaufen können (s. o.), will der GKV-Spitzenverband zum Auslaufen der gesetzlichen Übergangsregelung den Krankenkassen geeignete Lösungen empfehlen (Stichwort: „Verlängerung der Übergangsfrist“).
Vierter Akt (ca. Anfang Juli): Nach Klärung von, so Grienberger, spezifischen Einzelfragen einzelner Leistungserbringerverbände soll der Vorstand des GKVSpitzenverbandes dann die Vorgaben für die Strukturqualität der Leistungserbringer unterzeichnen. Zu den sachlichen Anforderungen zählen u. a.:
■ akustisch und optisch abgegrenzter Beratungsbereich
■ Werkstattraum und Werkstattausstattung
■ Sicherstellung der sachgerechten Durchführung von Instandhaltungen und Reparaturen
■ Lagermöglichkeit
■ Wiederaufbereitungsvorrichtung
■ spezifische Einrichtung wie z. B. Laufgang, Refraktionsraum
Barrierefreiheit keine Pflicht
Stark diskutiert war in diesem Feld das Thema „Barrierefreier Zugang und behindertengerechte Toilette“. Laut Grienberger soll dies 1. nicht für jeden Betrieb verpflichtend werden, sondern nur in Betrieben, die zwangsläufig Versicherte mit einer entsprechenden (Geh-)Behinderung erwarten (Ausnahmen seien z. B. Augenoptiker), und 2. werden diese Einrichtungen nur bei Um- oder Neubauten sowie neuen Betrieben gefordert, sodass bestehende Betriebe hier nichts ändern müssten.
Fünfter Akt (ab Juli): Es werden zusammen mit den Leistungserbringerverbänden Fortbildungskriterien für das Versorgungspersonal festgelegt. Sechster Akt (4. Quartal 2010): Es werden erste Entwürfe für Versorgungsstandards erarbeitet – Stichwort: Prozessqualität.
Alles halb so schlimm
Neben der „Entschärfung“ in Sachen Barrierefreiheit, hatte Grienberger für die Leistungserbringer noch weitere Nachrichten, die die Anspannung etwas lindern dürften: Im Zuge der Präqualifizierung wird es keine Regelung über Qualitätssicherungssysteme geben – dies ist Sache der von den Krankenkassen festzulegenden Vertragsanforderungen. Außerdem gibt es eine Bestandsschutzregelung hinsichtlich der fachlichen Anforderungen im Rahmen der Präqualifizierung. Diese beträgt drei Jahre, in der die fachliche Qualifikation ggf. entsprechend auf den geforderten Stand gebracht werden kann. Vorraussetzung für diesen Bestandsschutz ist die kassenrechtliche Zulassung oder eine vergleichbare Abgaberegelung bezogen auf mindestens eine Kassenart und Prüfung der „alten“ Voraussetzungen durch die PQ-Stelle. Gleichwertig ist auch eine kassenrechtliche Zulassung oder eine vergleichbare Abgabeberechtigung bezogen auf alle Kassenarten. Der Bestandsschutz ist, so Grienberger, allerdings auf das Leistungsspektrum beschränkt, für das die Zulassung bzw. Abgabeberechtigung erteilt wurde.
„Mischt Euch ein!“
Mit zahlreichen Einzelthemen sahen sich die Experten auf dem Podium konfrontiert. So ermutigten Friedhelm Stodt von der Knappschaft und Nathalja Charlamenko von Rehavital die Leistungserbringer, sich aktiv in Vertragsverhandlungen einzubringen, um Vertragsentwürfe ggf. vor Vertragsschluss modifizieren zu können. Die zähen Diskussionen etwa im Rahmen der Barmer GEK bzw. TK-Verträge hätten dies bestätigt, so die Vertragsmanagerin von Rehavital. Während Grienberger darauf verwies, dass das PQ-Verfahren auf Wunsch der Leistungserbringer kommt, die damit die Papierschlacht im Zuge der Eignungsprüfungen vereinfachen wollten, erklärte Stodt, dass die Präqualifizierung auch den Kassen helfe, die Vertragstexte zu entschlacken. Charlamenko wiederum riet davon ab, Kassenverträge zu unterschreiben, in denen die PQ zwingend vorgeschrieben werde. Dies könnten „Knebelverträge“ sein, die Firmen vom Markt ausschließen würden – ein Fall für den Rechtsweg.